Essen. .

„Der Mensch ist, was er isst“, schrieb einst der Philosoph Ludwig Feuerbach. Der Satz ist rund 150 Jahre alt und trotzdem unverändert aktuell.

Unsere Essgewohnheiten haben sich in dieser Zeit allerdings stark verändert. Tiefkühlpizza und Fast Food gab es zur Zeit von Feuerbach noch nicht. Der neueste Entwicklung geht aber vor allem in Richtung gesunde, nachhaltige und weniger fleischhaltige Ernährung. Immer mehr Menschen legen wieder Wert auf eine regionale und saisonale Küche.

Gleichzeitig verweigern immer mehr Menschen dem Verzehr von Fleisch. Am Wochenende eröffnete auf der Friedrich-Ebert Straße Essens erster veganer Supermarkt, mit einer Auswahl an über 5500 verschiedenen Produkten. Alle fair gehandelt und garantiert ohne tierische Fette. In den Etagen über dem Supermarkt wird zur Zeit noch gebaut. Im Oktober sollen dort weitere vegane Läden einziehen. Darunter ein Bekleidungsladen wund ein Restaurant.

Der Standort ist nicht zufällig gewählt. Denn sowohl Vegetarismus als auch Veganismus sind vor allem in den Großstädten auf dem Vormarsch. Außerdem ist es erst einige Wochen her, da konkurrierte Essen noch um den Titel der „Grünen Hauptstadt Europas“. Das offizielle Bewerberteam verwies dabei ausdrücklich auf klimafreundliche Projekte im Städtebau. Die Lage der damit gemeinten „Grünen Mitte“, nur wenige Gehminuten von der Universität und dem Stadtzentrum entfernt, passt besonders gut zur Zielkundschaft von „Veganz“. Dazu zählen einerseits junge Erwachsene, denen ein gesunder Lebensstil wichtig ist, aber auch ältere Essener, die durch Berichte aus Schlachthöfen aufgeschreckt wurden. Gerade der Veganismus gilt vielen Konsumenten als so etwas wie eine eigene Philosophie, die Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und den Schutz der Tiere ins Zentrum rückt. Andere hingehen schütteln den Kopf, wenn sie hören, worauf Veganer freiwillig verzichten.

Die Liste ist tatsächlich lang: Fleisch und sämtliche Fleischerzeugnisse, Fisch, Milch, Eier, Honig und Gelatine. Damit fällt nicht nur der morgendliche Kaffee aus, sondern auch gleich das Müsli und das vermeintlich harmlose Käsebrot. Die meisten Veganer verzichten auch auf Bekleidung aus Leder und Wolle. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass der „Umstieg“ Geld kostet und sich durchaus schwierig gestalten kann. Gerade am Anfang müsse man eine Zeitlang suchen und sich vieles anlesen, berichten Veganer. Natürlich gibt es inzwischen unzählige Ersatzprodukte und grüne Alternativen zu Bratwurst und Schnitzel, aber nicht jeder kann sich mit dem ungewohnten Geschmack anfreunden. Andere schaffen es einfach nicht, den fleischhaltigen Angeboten im Alltag zu widerstehen. Da wären das Sommerfest im Sportverein, das Weihnachtsessen im Unternehmen oder der Geburtstag bei Freunden. Fast überall wird etwas serviert, das für Vegetarier und Veganer tabu ist.

Zwar gibt es keine amtlichen Zahlen, aber der deutsche Vegetarierbund erklärt auf Nachfrage der NRZ, dass in einer Großstadt wie Essen „mindestens 13 Prozent der Bevölkerung vegetarisch lebt.“ Umgerechnet auf 573.468 Einwohner ergibt dies 74.550 Vegetarier. Ein Prozent der Bevölkerung soll sogar vegan leben. Doch auch ohne die Zahlen fällt auf, dass es so etwas gibt, wie das neue Essen. An der Universität werden übrig gebliebene Lebensmittel getauscht und verschenkt, statt weggeworfen und in zahlreichen Wohnsiedlungen haben sich Nachbarn zu Gemeinschaftsgärtnern zusammengeschlossen, die ihr eigenes Gemüse anbauen und sonntags gemeinsam im eigenen Garten frühstücken. In vielen Kantinen werden vegetarische Gerichte angeboten und die Grünen forderten bereits den „Veggie Day“, also einen fleischlosen Tag in der Woche. Die neue NRZ-Serie will dieser Entwicklung umfassend auf den Grund gehen.