Essen. Ein 22-jähriger Essener erzählt, wie er schon als Teenager zum Glückspiel kam, und was die Sucht aus ihm machte. Seit einigen Wochen versucht er zusammen mit der Suchthilfe den Ausstieg.

Mit 13 Jahren war Dennis* regelmäßig Gast im Internetcafé in der Nachbarschaft. Dort standen alte Spielautomaten, die nur Coins annahmen. Auch Dennis’ Freunde vertrieben sich so die Zeit, aus Langeweile, aus Neugier. „Jeder machte das.“ Das Spielgeld kam von Papa.

Irgendwann wurden die alten Automaten gegen neue ausgetauscht, und Dennis zockte erstmals mit richtigen Münzen. Aus ein paar Euros Einsatz wurden schnell 20 oder 30 Euro Gewinn. „Das war richtig cool“, wie leicht man aus wenig Geld mehr machen konnte. Auch später beobachtete Dennis bei anderen immer wieder dieses unerklärliche Anfängerglück, das ihn da schon längst verlassen hatte. Als er etwa 16 Jahre alt war, wurden die Einsätze immer höher, die Zeit, die er in der Spielhalle verbrachte, immer länger.

"Da hat man nichts im Kopf"

Wenn das Geld nicht vom Vater oder von Bekannten kam, dann wurden andere Wege gesucht. „Alle Spielsüchtigen finden Mittel und Wege. Einbruch, Drogenverkauf ...“ Über seine eigene kriminelle Karriere sagt Dennis nur so viel: Mit 17 gab es die „ersten Probleme mit der Polizei“, zurzeit läuft eine Bewährungsstrafe. Es ging um bandenmäßige Hehlerei, geklaute Autos wurden mit gefälschten Papieren verschoben. Über seine Rolle in dem Geschäft will er nicht reden. „Ich hab jedenfalls nie geklaut.“

Tausende Euro verspielte Dennis an manchen Tagen. So viel, wie er gerade hatte. An eine Phase kann er sich erinnern, da „hab ich an drei Tagen 10 000 Euro reingeschmissen.“ Ums Gewinnen ging es da schon längst nicht mehr. „Man weiß, dass man nicht gewinnen kann.“ Je mehr die Sorgen und Probleme um ihn herum wuchsen, desto öfters trieb es ihn in die Spielhalle: Dennis spricht von einer großen Ruhe, vom Abschalten während des Spiels. „Da hat man nichts im Kopf.“ In der Spielhalle sind die Probleme weit weg. Ein Teufelskreis.

Berufliche Probleme

Die Beziehung zu seiner Freundin litt, sie trennten sich, kamen wieder zusammen, trennten sich. Dennis weiß, dass seine Freundin viel von der Aggressivität und vom Frust abbekommen hat. Gemeinsam hatten sie vor zwei Jahren schon einmal den Weg zur Suchthilfe gesucht. Ohne Erfolg. Dennis begann nach einer kurzen Pause wieder mit dem Spielen.

Auch beruflich war es schwierig: Seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker musste Dennis abbrechen, weil sein Meister gekündigt hatte, sagt er. Finanzielle Sorgen kannte er dennoch nicht. „Ich war verwöhnt, habe nie gelernt, mit Geld umzugehen. Da verliert man den Bezug zum Geld.“ Heute weiß er: „Meine Eltern hätten mich viel eher zu Hause rauswerfen müssen.“

Stationäre Behandlung in der Klinik 

Sein Vater war es, der ihn vor einigen Monaten wieder einmal herausboxte und seine Schulden bezahlte. Der seinem Sohn aber auch sagte: So geht es nicht weiter!

Seit einigen Wochen kommt Dennis, der heute 22 Jahre alt ist, regelmäßig zu Alexandra Dederichs-Sandach in die Beratung. Die Sozialarbeiterin bei der Suchthilfe unterstützt ihn, die Sucht in den Griff zu bekommen. „Dass ich süchtig bin, wusste ich schon länger.“ Die Einsicht, sich Hilfe zu holen, ist dagegen noch frisch.

Dennis hat sich entschieden, sich stationär in einer Klinik behandeln zu lassen. Die Wartezeiten sind jedoch lang – mindestens ein halbes Jahr. Seit über einem Monat sei er spielfrei, obwohl er jeden Tag an der Spielhalle vorbeigeht.

Und: In wenigen Tagen kommt sein Kind zur Welt.

„Fairplay“ - neues Beratungsangebot

Dennis* ist eher eine Ausnahme: Die meisten Spielsüchtigen, die das Beratungsangebot der Suchthilfe annehmen, sind 30, vielleicht 40 Jahre alt, berichtet der zuständige Abteilungsleiter Michael Mombeck. Die älteste ist 78. Viele Betroffene kommen zum ersten Gespräch mit Angehörigen, andere werden auch vom Gesundheitsamt oder Selbsthilfegruppen vermittelt.

Im April startete die Suchthilfe zusammen mit der Schuldnerhilfe das Projekt „Fairplay“. Beide Sozialeinrichtungen kümmern sich seither um Menschen, die ihre Glückspielsucht überwinden wollen. Denn viele Hilfesuchende haben neben dem Suchtproblem finanzielle Schwierigkeiten, sind verschuldet oder müssen den richtigen Umgang mit Geld wieder lernen.

Internationaler Tag des Glücksspiels

Rund 40 Betroffene suchten bislang die Beratung auf, berichtet Michael Mombeck. „Damit sind wir schon ganz zufrieden. So ein Angebot muss sich ja auch erstmal herumsprechen.“ Am 25. September wollen die Suchthilfe und die Schuldnerhilfe beispielsweise den Internationalen Tag des Glücksspiels nutzen, und auf der Kettwiger Straße in der City nochmals für das Projekt werben.

Wer das Beratungsangebot der Suchthilfe nutzen will, kann dies ohne Wartezeit und Voranmeldung tun. Infos: Telefon 0201/ 86 030.