Essen. Knapp 50 Ladenlokale im Stadtgebiet könnten Einnahmen von rund 360.000 Euro jährlich bescheren. Der Rat soll bereits bei den Etat-Beratungen im Herbst entscheiden.

Eine Stadt, die in ihrer Verzweiflung auch schon mal Steuern auf Hotelübernachtungen und käuflichen Sex diskutierte, ja, sogar Solarien mit einer monatlichen Abgabe belegen wollte – wetten, dass die auch nicht prompt abwinkt, wenn andere sich daran machen, Wettbüros zur Kasse zu bitten?

Treffer.

„Wir haben das seit langem in der Pipeline und den Vorstoß in Hagen eng verfolgt“, bestätigte gestern Ordnungsdezernent Christian Kromberg (CDU) auf Nachfrage der NRZ, „und wir sehen das mit sehr viel Sympathie“. Direkt nach der Sommerpause, im Rahmen der anstehenden Haushalts-Beratungen für 2015/16, könnte die finanziell klamme Stadt der Politik deshalb eine vergleichbare Wettbüro-Steuer vorschlagen.

"Wir sehen das relativ gelassen."

Derzeit ist man im Rathaus dabei, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, wozu unter anderem eine Bestandsaufnahme der Wettbüro-Szene in Essen gehört. Denn seit die einzelnen Lokale nicht mehr genehmigungspflichtig sind, schwanken die verfügbaren Daten enorm. Das liegt etwa daran, dass man unterscheiden muss zwischen Trinkhallen mit einem Tipp-Automaten in der Ecke, die von der Steuer wohl verschont werden sollen. Und klassischen Wettbüros, in denen die Besucher bei Kaffee oder Kaltgetränken Sportereignisse und parallel dazu auch die Veränderung der Wettquoten am TV-Bildschirm anschauen können.

Knapp 40 echte Wettbüros dürften es am Ende zwischen Karnap und Kettwig sein, und immerhin zwölf davon gehören zur „tipico“-Kette, die ihren Sitz auf Malta hat und hierzulande Lizenzen im Franchise-System vergibt.

Und nein, Begeisterung lösen die hiesigen Steuerpläne bei „tipicos“ Deutschland-Geschäftsführer Christian Gruber nicht gerade aus. Dennoch mag er nicht gleich in Frontstellung gehen, sondern formuliert vorsichtig, man werde eine mögliche Steuerpflicht, die im Übrigen nicht das Franchise-Unternehmen, sondern den jeweiligen Wettlokal-Betreiber vor Ort träfe, „sorgfältig prüfen“. Und dies noch: „Wir sehen das relativ gelassen.“

Spielsucht-Bekämpfung

Immerhin, anders als bei der Solariensteuer, mit der Essen es einst in die überregionalen Nachrichten schaffte, hat das NRW-Innenministerium die Hagener Wettbüro-Steuer bereits geprüft und für rechtens befunden. Formell geht es darum, „Glücksspiel einzudämmen und Spielsucht zu bekämpfen“, aber da Wett-Läden wie „tipico“ über die Hälfte ihres Umsatzes im Internet machen, ist es wohl nicht ganz so unsittlich anzunehmen, dass da die Einnahmen selbst der schlagendste Grund sind.

So kalkuliert Hagen damit, dass von den 16 dortigen Wettbüros jährlich 120.000 Euro in die Stadtkasse fließen. Mit dreimal so viel Einwohnern und etwa dreimal so viel Wettbüros könnte Essen also grob geschätzt mit etwa 360.000 Euro rechnen.

Das ist selbstredend viel zu wenig, um die Stadt aus der zuletzt noch einmal arg verschärften Finanzlage zu lotsen. Mehr noch: Es hilft womöglich nur, die Spätfolgen des rigorosen Vorgehens gegen die Essener Wettbüros vor knapp einem Jahrzehnt abzumildern. Weil sich die Rechtslage an europäischen Maßstäben auszurichten hatte, verlor die Stadt ihren Kampf gegen vermeintlich illegale Wettbüros und musste dem Vernehmen nach viele der verhängten Zwangsgelder in Höhe von jeweils 10.000 Euro zurückzahlen – bis heute.

Mehr noch: Beim Bundesgerichtshof liegt offenbar die Klage unter anderem zweier Essener Wettbüro-Betreiber, die wegen der damaligen Zwangsschließung Schadensersatz verlangen.

Hier rein in die Kasse, dort raus – so läuft das eben im Wettgeschäft.