Essen. . Sie erleben den Moment - und verspielen ihre Zukunft. Circa 6000 Essener sind spielsüchtig. Oft treiben sie sich und ihre Familien in den Ruin. Die Schuldnerhilfe in Essen und die Suchthilfe haben sich jetzt zusammengetan und die neue Anlaufstelle „fair/play“ gegründet - mit Unterstützung der Krupp-Stiftung.
Sie daddeln und zocken, sie träumen von großem Glück und sprudelndem Reichtum. Doch die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Meist treiben sie sich in den Ruin und zerren ihre Partner und Familien mit ins Verderben. Schätzungsweise 6000 Essener sind süchtig nach Glücksspiel oder auf dem Weg dahin. Ihnen und den Angehörigenhelfen, das will das neue Beratungsangebot „fair/play“.
Am 1. April ist „fair/play“ an den Start gegangen. Weil Glücksspielsucht und Verschuldung zwei Seiten einer Medaille sind, ziehen renommierte Beratungseinrichtungen an einem Strang: der Verein Schuldnerhilfe und die Suchthilfe Direkt. Unterstützt werden sie von der Krupp-Stiftung.
In einem Teufelskreis
Wolfgang Huber, Leiter der Schuldnerhilfe, kennt die Nöte überschuldeter Zocker: „Es fällt den Betroffenen sehr schwer, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Und sein Kollege Michael Mombeck, Abteilungsleiter bei der Suchthilfe, fügt hinzu: „Heroinabbhängige häufen schon viele Schulden an, aber Spielabhängige noch mehr.“
Immer häufiger werden die Experten in Essen mit dem Teufelskreis konfrontiert, dem Glücksspielsüchtige oft nur mit allerletzter Kraft entrinnen. „Zuerst verlieren sie den Job und die Wohnung, irgendwann fliegt auch die Familie auseinander“, sagt Mombeck. Hinzu kämen Vereinsamung und Depression.
Pokern im Internet oder Roulette im Casino
Der Befund ist dramatisch: 88 Prozent der Betroffenen sind Männer, überwiegend 30 bis 40 Jahre alt. Manche pokern im Internet, andere setzen im Casino beim Roulette auf Schwarz. Einige versuchen ihr Glück in Wettbüros, aber die überwiegende Mehrheit (ca. 88 Prozent) klebt an der blinkenden Kisten: entweder in einer Spielhalle oder in der Stammkneipe.
Die Frage, wer an den rund 2100 Glücksspielautomaten in Essen gewinnt und verliert, beantworten die Experten auf Anhieb. „Die Verluste der Spieler an Glücksspielautomaten belaufen sich allein in Essen auf rund 30 Millionen Euro“, schätzt Wolfgang Huber.
Nicht die Ursache von Spielsucht bekämpfen
Die meisten Automaten-Zocker häuften Schuldenberge zwischen 5000 und 15 000 Euro an. „Ich kenne aber auch einen Fall, da hat jemand 500.000 Euro verzockt und zwei Firmen in den Ruin getrieben“, weiß Huber. Sein Handicap: Die Schuldnerhilfe kann an der Schuldenregulierung arbeiten, aber nicht die Ursache von Spielsucht bekämpfen.
Spielsüchtige, die ihre Scham überwinden und sich in die schützende Obhut von „fair/play“ begeben, werden zuerst einer gründlichen Diagnose unterzogen. Mombeck: „Wir wollen wissen, wie stark ausgeprägt die Spielsucht ist.“ Erst danach entscheidet sich, ob eine Therapie nötig ist. Selbstverständlich wird auch Angehörigen von Spielsüchtigen geholfen.