Essen. Ayham Al Youssef (32) floh mit seiner Familie aus Syrien. In Essen zogen sie rasch in eine Wohnung, wo sie Sicherheit fanden. Diese Unterbringung ist eine Alternative zum Asylbewerberheim. In 60 solcher Wohnungen leben in Essen 200 Menschen. Laut Diakonie gebe es bislang keinen Unmut von Nachbarn.
Als Schock beschreibt Ayham Al Youssef seine Ankunft in Essen. „Ich habe alle meine Sinne ausgeschaltet, weil alles anders war“, erinnert sich der 32-Jährige an diesen ersten Eindruck weit weg von seiner syrischen Heimat. Der Familienvater kam im Frühjahr als Flüchtling, mit ihm zwölf Angehörige; seine Eltern, die Geschwister, seine Frau und ihre beiden Kinder. Sie leben heute in drei Wohnungen in Bochold: „Endlich in Sicherheit“, sagt Ayham Al Youssef erleichtert.
Drei Zimmer hat er mit seiner Frau und den Söhnen Shia (3) und Sroud (1) bezogen. In ihrem Wohnzimmer stehen Schrankwand, eine große Couch und ein Fernseher. Sie haben eine Küche mit Herd, Betten und Matratzen auf dem Boden. Diese Grundeinrichtung war bereits vorhanden. Viel Persönliches hat die Familie ohnehin nicht. „Einen Koffer voll haben wir mitgebracht“, sagt Ayham Al Youssef. „Vieles haben wir verloren, Freunde, Verwandte, unser ganzes Leben“, blickt er zurück.
Übergangsheim an der Alten Bottroper Straße
Die eigene Wohnungen aber, „sie gibt uns jetzt Stabilität.“ So musste die Familie lediglich eine Woche lang im Übergangsheim an der Alten Bottroper Straße leben, berichtet er weiter mit Hilfe von Sprachmittlerin Mina Jamali, die übersetzt. Sie begleitet auch eine der Schwestern mit ihrem Neugeborenen zum Arzt oder ins Jobcenter. Alle drei bis vier Wochen besucht zudem Sozialarbeiterin Julia Przybilla die Familie. Sie arbeitet bei der Flüchtlingsberatung der Diakonie, die seit Anfang des Jahres Flüchtlinge in Privatwohnungen unterbringt und betreut – als Alternative zu Wohnheimen.
Weitere Privatwohnungen gesucht
Seit 2014 vermittelt die Diakonie Flüchtlinge in Privatwohnungen. Mitarbeiter der Flüchtlingsberatung schauen, für wen sich die Alternative eignet, denn die Menschen müssen sich im völlig neuen Wohnumfeld zurechtfinden.
Manchen könne das Flüchtlingswohnheim als sicherer Ort erscheinen, in dem sie unter Menschen mit ähnlichen Erfahrungen leben, erklärt Gisela Strotkötter. Dennoch gebe es Familien, für die die Diakonie Privatwohnungen suche.
Bislang leben rund 200 Personen in etwa 60 Wohnungen, erklärt Gisela Strotkötter, Leiterin der Sozialen Dienste bei der Diakonie. Die Menschen kommen aus Syrien, Afghanistan, Ägypten, aber auch aus afrikanischen Ländern. Die Stadt mietet für sie den Wohnraum an und schließt einen Untermietvertrag, den die Familien nach einem Jahr übernehmen können. Bislang, sagt Julia Przybilla, sind die Flüchtlingsfamilien gut aufgenommen worden, Ärger mit Nachbarn habe es nicht gegeben. „Sollte es doch mal Irritationen geben, auch dafür sind wir da“, sagt sie.
In Syrien als Journalist gearbeitet
Ayham Al Youssef empfindet seine deutschen Nachbarn als freundlich. Sie bringen ihnen ein wenig Deutsch bei, sagt er. Im Alltag gehe die Familie einkaufen oder mit den Kindern auf den Spielplatz. Große Wünsche haben sie derzeit nicht, Fahrräder für die Jüngsten wären schön. Viel wichtiger ist es ihnen aber, die Sprache gut zu lernen. Denn ohne diese zu verstehen und ohne sich ausdrücken zu können, „fühle ich mich manchmal wie eine leere Flasche.“ Der 32-Jährige hat in Syrien wie sein Vater als Journalist gearbeitet, erzählt er. „Besonders mein Vater hat sich politisch in der Opposition eingesetzt und an einem Aufstand einer kurdischen Organisation beteiligt“, sagt Al Youssef. Deshalb seien sie verfolgt und einige gar verhaftet worden, bis ihnen die Flucht in die Arabischen Emirate gelang.
Die Erinnerungen an all das Erlebte, sie werden vor allem bei seinen Schwester sofort wach, wenn sie laute Geräusche hören. Dann haben sie die Bilder der Angriffe vor Augen, hören die Schüsse knallen und die Bomben explodieren. Oft sind sie in Gedanken bei einer weiteren Schwester im Irak. „Wir sind zwar in Sicherheit, aber die Angst und die Hilflosigkeit bleiben“, sagt der Familienvater, nicht ohne Hoffnung auf einen Neuanfang: „Die Kinder sollen eine Zukunft haben.“