Essen. Dürfte das Land eine Erstaufnahme-Einrichtung im Essener Süden errichten, müsste die Stadt pro Jahr fast sechs Millionen Euro weniger für Flüchtlinge ausgeben. Auch die Kommunalpolitik ist angesichts dieser Perspektive „offen“. Die Chancen für das Wunschprojekt des Landes stehen somit recht gut.

Die Stadtverwaltung forciert den Bau eines Groß-Asyls unter Regie und auf Rechnung des Landes NRW, und auch die großen Ratsfraktionen stehen den Plänen am Overhammshof in Fischlaken offen gegenüber. Die Chancen für das Wunschprojekt des Landes stehen somit recht gut. „Wir sollten alles unternehmen, damit Essen die Erstaufnahme-Einrichtung bekommt“, sagte gestern der zuständige Sozialdezernent Peter Renzel (CDU). Zwar sei er nicht festlegt auf das frühere Kutel-Gelände. „Ich kenne aber keine andere Fläche, die in Essen geeignet wäre.“

Mindestens 500 Flüchtlingen soll das Groß-Asyl des Landes Platz bieten. Ihr Aufenthalt wäre jeweils nach spätestens drei Monaten beendet, dann werden sie auf Dauereinrichtungen in den Gemeinden verteilt. Vorteil für Essen: „Wir brauchen für mindestens 500 Flüchtlinge dann keine eigene Infrastruktur aufbauen und hätten keine Kosten zu tragen“, so Renzel. Denn das Land hat zugesagt, dass diejenige Stadt, die das neue Groß-Asyl aufnimmt, im selben Maße von eigenen Unterbringungspflichten entlastet wird.

Stadt Essen könnte 5,85 Millionen Euro pro Jahr sparen

Renzel zufolge könnte die Stadt 5,85 Millionen Euro pro Jahr für den Betrieb von Unterkünften, Transferleistungen und Mietzusagen sparen, sobald die Neubauten 2015 stehen. Bis zum Spätherbst 2014 müsste Essen allerdings 840 weiteren Asylbewerbern Obdach geben, insgesamt wären es dann über 1900. Vielleicht kann Essen sich kurzfristig aber auch hier teilweise „freikaufen“: Die Raumnot des Landes bei der Erstaufnahme ist so groß, dass die Stadt erwägt, dass neu gemietete Haus im Opti-Park an der Altendorfer Straße mit 300 Plätzen für Flüchtlinge dem Land zu überlassen. Entlastung der Stadtkasse laut Renzel: fast zwei Millionen Euro in sechs Monaten.

Die Spar-Chance ist für die CDU „ein schwerwiegendes Argument“ für die Asyl-Landeseinrichtung“, sagt Fraktionsvize Dirk Kalweit, wobei „ein breiter gesellschaftlicher Konsens“ wichtig sei. Für die SPD erklärte Ratsherr Karlheinz Endruschat, man sei zwar „offen“, habe aber noch Fragen, da der Standort abgelegen sei und keine soziale Integration ermögliche. „Das ist in diesem Fall nicht nötig“, entgegnet Renzel. „Gerade weil die oft schwer traumatisierten Menschen nur kurz in Essen bleiben“, sei eine gewisse Abschottung sogar die bessere Art der Unterbringung. Geplant ist eine Art Dorf in Modulbauweise, auch die Betreuung würde durch Landesbedienstete erfolgen, möglicherweise entstehe neben dem Dorf eine Nebenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

Kathrin Richter von Pro Asyl lehnt Dauerunterkünfte am Stadtrand „strikt ab“, nicht aber eine große Erstaufnahme-Einrichtung: „Da ist der Overhammshof wohl die einzige Möglichkeit.“ Voraussetzung sei aber eine qualitativ gute Betreuung. Die Grünen haben hingegen „erhebliche Bedenken“ und denken eher an Standorte mit mehr Nachbarn: „Möglicherweise kommen die ehemalige Pädagogische Hochschule oder die Polizeischule in Rüttenscheid in Frage“, schlägt Ratsfrau Christine Müller-Hochfellner vor.