Essen. Entsteht eine Erstaufnahme-Einrichtung für mindestens 500 Menschen auf dem „Kutel“-Gelände? Die Kommune rechnet mit Kosteneinsparungen in Millionenhöhe, weil die Zahl der untergebrachten Menschen auf die örtliche Quote angerechnet wird. Essen könnte womöglich auf einige eigene Flüchtlingsheime verzichten.
Die Flüchtlingsströme reißen nicht ab: Dem Land geht es da kaum besser als der Kommune. Die zentralen Erstaufnahme-Einrichtungen in NRW sind so voll wie die Asylheime in Essen überlaufen. Mangels Platz mussten 30 Menschen bereits in dem von der Stadt angemieteten Center-Hotel an der Hachestraße untergebracht werden. Zwei weitere Notunterkünfte – an der Altendorfer Straße und der Pregelstraße – werden zurzeit eilig hergerichtet, die ersten Gäste sind womöglich schon auf dem Weg: 60 Syrer sollen kurzfristig auf Ersuchen des Innenministers in die ab 11. August bezugsfertige Einrichtung im innenstadtnahen Opti-Park unterkommen.
Doch es nicht die einzige Bitte, die Ralf Jäger (SPD) dieser Tage an die Stadt richtete. Seine zweite ist eine deutlich weitergehende. Die geht so: Der Oberbürgermeister solle doch gemeinsam mit dem Rat überlegen, ob der Betrieb einer Asyl-Landeseinrichtung auf Essener Stadtgebiet denkbar wäre. „Wir werden das jetzt sehr ernsthaft prüfen“, sagte Sozialdezernent Peter Renzel gestern auf NRZ-Nachfrage.
Keine Kosten für die Stadt
Nachdem die Stadt eine erste Bitte des Landes dieser Art mit Verweis auf fehlende Bestandsimmobilien wie leer stehende Krankenhäuser oder Altenheime vor geraumer Zeit verneint hatte, kommt jetzt in der allgemeinen Unterbringungsnot eine Variante ins Spiel, der die Stadtspitze aus diversen Erwägungen nicht abgeneigt zu sein scheint: Es wäre doch durchaus denkbar, ein Container-Dorf als fünfte zentrale Erstaufnahme-Einrichtung in Nordrhein-Westfalen für mindestens 500 Menschen von der Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH (GVE) errichten und für mindestens fünf Jahre durch das Land anmieten zu lassen. Zum Beispiel am Overhammshof in Fischlaken.
Der Stadt, so heißt es, entstehen dabei keine Kosten, und gleichzeitig reduziert sich die Aufnahmeverpflichtung der Kommune für den Zeitraum der Nutzung deutlich. Das bedeutet: Essen müsste exakt die Anzahl von Flüchtlingen, die zunächst in einer solchen Anlaufstelle leben, nicht in eigenen Heimen unterbringen. 500 bis 600 Menschen weniger versorgen zu müssen, bedeutet in letzter Konsequenz den denkbaren Verzicht auf mindestens drei neue noch zu bauende Asylheime in kommunaler Regie. Was unterm Strich wiederum Ausgaben in Höhe von mehreren Millionen Euro spart.
Verteilung auf Kommunen steht in Frage
Zudem könnte die seit Jahren kontroverse politische Diskussion um das ehemalige Kutel-Gelände ein Ende finden. Bemerkenswert bei diesem Szenario: Da die komplette Organisation in einer Erstaufnahme-Einrichtung eine andere wie schnell vorübergehende ist, und die Menschen nach einer Zeit zwischen 14 Tagen bis maximal drei Monaten bereits wieder auf die Kommunen verteilt werden, soll selbst ein Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats Pro Asyl in einer ersten Reaktion keine ablehnenden Bedenken gegen ein solches Flüchtlingsdorf auf den Fischlaker Höhen geäußert haben.
Wie die Politik damit umgeht, ist offen. Die Fraktionen sollen gestern über das Schreiben der Landesregierung informiert worden sein, in dem sich neben der Tatsache, dass nach der aktuellen Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in 2014 noch 37.000 weitere Flüchtlinge nach NRW kommen werden, eine weitere interessante Formulierung findet: Die Anregung der Stadt Essen, Asylbewerber aus so genannten sicheren Herkunftsländern nach ihrer Ankunft in den Erstaufnahme-Einrichtungen künftig nicht mehr auf die Kommunen zu verteilen, könne zurzeit nicht aufgegriffen werden, heißt es sinngemäß. Damit könnte es also noch was werden – aber eben nur dann, wenn das Land selbst mehr Plätze zur Verfügung stellen kann. Zum Beispiel in Essen.