Essen. Auf Pro-Palästina-Demos entlade sich auch die Wut geduldeter Libanesen, sagt Ratsherr Ahmad Omeirat (Grüne) aus Essen. Kein Fall von Volksverhetzung sei zu entschuldigen, aber den Jugendlichen müsse man nicht nur mit Härte, sondern auch mit Bildung begegnen.

Ahmad Omeirat hat libanesische Wurzeln und sitzt heute für die Grünen im Rat. Seine Partei forderte die Absage der Pro-Palästina-Demo am vergangenen Freitag – er ging hin. Als Beobachter wollte er sich auf der von der Linksjugend organisierten Kundgebung ein Bild machen und das Gespräch mit jungen Landsleuten suchen.

Schon als eine Woche zuvor gut 50 Männer aus der libanesischen Community spontan zu einer nächtlichen Demo am Weberplatz zusammenkamen und zur Alten Synagoge zogen, war er mit Vertretern des Aktionsbündnisses Sicheres Altenessen vor Ort. „Bei uns haben alle Alarmglocken geklingelt. Noch in den frühen Morgenstunden haben wir mäßigend mit den Teilnehmern gesprochen.“

Appell gegen antisemitische Demos in gemäßigten Moscheen

Am nächsten Tag suchten Omeirat und seine Mitstreiter das Gespräch mit Eltern und Moschee-Gemeinden, sie sollten ihre Kinder vom Besuch der unangemeldeten und antisemitischen Demos abhalten. „In den gemäßigten Moscheen wurde der Appell sogar in die Freitagsansprachen eingebaut.“

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Die Hälfte der 6000 Libanesen in Essen hat keinen sicheren Aufenthaltsstatus und ist in Deutschland oft seit Jahren nur geduldet. „Die fühlen sich in ihrer Situation hier gefangen und solidarisieren sich mit den Palästinensern im Gaza-Streifen, weil es denen vermeintlich ähnlich ergeht“, sagt Omeirat.

Bildung sei der Schlüssel, um die Lage der Jugendlichen zu verbessern: „Das geht an die Adresse der Familien.“ Omeirat sieht aber auch ein Versagen bei der Stadt, die die politische Bildung der Geduldeten vernachlässigt und ihnen keine Perspektive vermittelt habe. „Manche kümmern sich seit 20 Jahren nur um ihre Dokumente. Die Ausländerbehörde gibt ihnen das Gefühl: ,Du bist nichts wert.’ Die Stadt muss diese Menschen umarmen.“

Nur wenige junge Libanesen aus Essen bei Pro-Palästina-Demo

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Wer bei der Pro-Palästina-Demo manch hasserfüllte Parole hörte, musste den Eindruck bekommen, dass es für Kuschelkurs und Bildungsarbeit schon zu spät ist und eher das Strafgesetzbuch gefragt ist. Auch Omeirat sagt, dass es einen harten Kern von Fanatikern gebe: „Die verabreden sich auf Facebook für solche Proteste und reisen an. Darunter waren nur wenige junge Libanesen aus Essen.“

Kein Fall von Volksverhetzung oder Judenhass sei zu entschuldigen. Man dürfe den Nagel aber nicht zu tief einschlagen, sonst sei er nicht mehr zu ziehen. Sprich: „Wenn hier Jugendliche ,Allahu akbar’ [Gott ist größer] schreien, lassen die vielleicht nur ihre Wut raus. Wenn wir sie nun grundsätzlich verurteilen und als religiöse Fanatiker brandmarken, sind sie womöglich nicht mehr für uns ansprechbar – und suchen sich ihre Vorbilder bei irregeleiteten Ideologien.“