Essen. . 1983 wurde Ahmad Omeirat in Beirut geboren. Seine Mutter war Anfang 20, als sie mit dem zweijährigen Ahmad und seiner 40 Tage alten Schwester nach Syrien und weiter nach Europa floh. Der 30-Jährige könnte bei den Kommunalwahlen im Mai für die Grünen in den Rat der Stadt Essen einziehen.
Willkommenskultur, Flüchtlingspolitik, Asylunterkünfte – für viele sind das politische (Kampf)begriffe. Für Ahmad Omeirat ist das alles Teil seiner Geschichte: Er ist 1983 in Beirut geboren worden, mitten im libanesischen Bürgerkrieg; 1985 kam er als Flüchtlingskind nach Essen. Bei den Kommunalwahlen im Mai könnte der 30-Jährige für die Grünen in den Rat einziehen und dort Theorie und Lebenspraxis zusammenführen.
Seine Mutter war Anfang 20, als sie mit dem zweijährigen Ahmad und seiner 40 Tage alten Schwester nach Syrien und weiter nach Europa floh; der Vater folgte später. Der erste Teil dieser Flucht war Gefahr und Ungewissheit, der zweite Bürokratie: Als sich die Familie bis Berlin durchgeschlagen hatte, griff der Königsteiner Schlüssel, jener bis heute gültige Verteilungsmodus, der die Omeirats Nordrhein-Westfalen zuwies. Sie kamen ins Aufnahmelager in Unna-Massen und von da nach Essen. „Hier hatten wir Verwandte; ein Onkel, der Deutsch konnte, kümmerte sich. Das waren so die Multiplikatoren.“
Die ersten Möbel waren ein Geschenk der türkischen Nachbarn
Untergebracht war die Familie anfangs im Flüchtlingsheim in Heisingen, und für den Start sei das hilfreich gewesen, sagt Omeirat heute: „Meine Mutter war ja mit zwei Kindern in einem fernen Land mit fremden Temperaturen und fremder Sprache. Im Frieden, aber allein mit ihren Traumata.“ Bis heute erinnere sich seine Mutter an die Menschen, die Geschenke in die Unterkunft brachten: „Das war wie ein Mantel im Winter.“
Als sie 1986 in eine Wohnung zogen, schenkten ihnen die türkischen Nachbarn die ersten Möbel. Auch solche Gaben festigten das Vertrauen in die neue Gesellschaft, ebenso wie das größte Geschenk: dass die Omeirats als Asylbewerber anerkannt wurden. „Das war das Fundament, um anzukommen.“
Und seine Eltern, die selbst die Volksschule besucht hatten, sahen die deutsche Sprache als Schlüssel, kontrollierten die Hausaufgaben ihrer fünf Kinder. „Aber ich hatte Mitschüler, die besser waren als ich und trotzdem keine Perspektive hatten, weil sie nur geduldet waren. Oft nur, weil ihre Vorfahren mal falsche Angaben gegenüber den deutschen Behörden gemacht hatten.“
„Konkurriert nicht um das dickste Auto, sondern um die beste Ausbildung!“
Eine solche Bestrafungs-Politik entmutige junge Menschen und vergeude Talente, sagt Omeirat. Eine seiner politischen Forderungen ist daher eine Mindest-Duldung von einem halben Jahr. Es wäre eine kleine Geste gegenüber der Hälfte der 6000 Libanesen in Essen, die keinen sicheren Aufenthaltsstatus hat und alle drei Monate zur Ausländerbehörde muss.
Er rate libanesischen Jugendlichen aber auch, sich anzusehen, wie ihre Eltern hergekommen sind. „Ich sage: Stellt Euch nicht als Opfer dar – kämpft. Konkurriert nicht um das dickste Auto, sondern um die beste Ausbildung!“ Auch das sei ein Weg aus der Duldung.
Er selbst hat die Opferrolle abgelehnt, als er nach der Mittleren Reife erfolglos 180 Bewerbungen an Essener Firmen schrieb. Heute arbeitet der Familienvater und Einzelhandelskaufmann in Frohnhausen im Schmuckvertrieb. „Ich fühle mich wohl im Ruhrgebiet, ich bin Essener.“ Seine Erfahrung sage, dass jene Libanesen, die hier heimisch geworden sind, „weder für radikale Ideologien noch für Deutschen-Hass anfällig sind“.
Kampf gegen rassistische Vorurteile und einseitige Klischees
Omeirat bestreitet nicht, dass es in Teilen der libanesischen Community Clan-Strukturen und Kriminelle gebe. Hier gelte die Formel des Altenessener Handlungskonzepts, das den Stadtteil sehr befriedet habe: „Chancen bieten, Grenzen setzen“. Mancher Jugendliche riskiere in Deutschland eine große Klappe, „und würde es im Libanon keine vier Wochen aushalten“.
Der Grüne kämpft aber auch gegen rassistische Vorurteile und einseitige Klischees: Er ist auf jeder Anti-NPD-Demo zu finden und betreibt Aufklärungsarbeit schon mal via Facebook: „Welcher Politiker besucht mit mir libanesische Familien?“, fragte er jüngst. Die Resonanz war groß, die ersten Termine sind vereinbart. „Ein Dialog kostet kein Geld – nur ein bisschen Mut.“
Burak Copur förderte Ahmad Omeirat und gewann ihn für die Grünen
Als erster türkisch-stämmiger Ratsherr wurde Burak Copur vor zehn Jahren gewählt – auf dem Ticket der Grünen. Die ermöglichen nun mit Ahmad Omeirat dem ersten Essener mit libanesischen Wurzeln den Einzug in den Rat: Für die Kommunalwahl im Mai steht er auf dem aussichtsreichen Platz 8 ihrer Liste. Mit seinen 30 Jahren trüge er auch zur Verjüngung des Rates bei.
Als Omeirat im Jahr 2010 für die Familien Union in den Integrationsrat kam, lernte er dort Copur kennen. Er war beeindruckt, „von dem türkischstämmigen Ratsherrn, der für eine neue Willkommenskultur kämpfte oder beim Thema Duldung Klartext redete“.
Copur habe ihn und die Grünen mit einander bekannt gemacht, ihm einen Schnupperkurs Politik geboten. „Ich habe ihn ein wenig gecoacht und hoffe sehr, dass er in den Rat einzieht“, sagt Copur, der sein Ratsmandat aus beruflichen Gründen niederlegt. Und Omeirat verspricht, im Rat weiter für die Projekte seines Mentors – wie das Welcome-Center – zu kämpfen.