Essen. . Als „friedlich“ fasst die Polizei die Nahost-Kundgebungen von Freitag zusammen, die allerdings mit einem Großeinsatz endeten. Die Veranstalter der Demonstrationen sprechen jedoch von Eskalation und Gewalt. Das sorgt für hitzige Debatten.
Hat die Polizei die brisante Lage am Hauptbahnhof, als am vergangenen Freitag verfeindete Demonstranten aufeinandertrafen, unterschätzt? Hat sie zudem eine verharmlosende Bilanz des Einsatzes gezogen? Der Großeinsatz anlässlich zweier Pro- und Anti-Israel-Demos in der Innenstadt führte auch am Wochenende noch zu Fragen und hitzigen Diskussionen unter Teilnehmern.
Aus Sicht der Polizei sind die Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz und am Weberplatz friedlich verlaufen. Dort löste sich jedoch die Veranstaltung unerwartet auf, so dass laut Polizei rund 200 Personen zum Willy-Brandt-Platz zogen – mit dem Ziel, die Konfrontation mit den Gegendemonstranten zu suchen. Dort flogen Plastikflaschen und weitere Gegenstände, ein Böller explodierte. Die Polizei sei konsequent eingeschritten und habe mit kommunikativem Geschick beide Parteien getrennt.
Polizei zeigt sich mit dem Einsatzverlauf zufrieden
Detlef Köbbel, Polizeiführer und leitender Polizeidirektor, zeigt sich daher mit dem Einsatzverlauf zufrieden: „Es war uns wichtig, den Menschen, die ihre politische Meinung äußern wollten, eine störungsfreie Demonstration zu gewährleisten. Das ist uns gelungen. Gegen Straftäter gingen wir entschlossen vor!“ So wurden acht Personen festgenommen, die Polizei ermittelt wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Körperverletzungen.
Kritik am Einsatz der Polizei hingegen kommt von der Antifa Essen Z, die von Eskalation auf dem Platz vor der Hauptpost spricht und die Zahlen korrigiert: Die pro-israelischen Demonstranten seien von etwa 1000 Israel-Gegnern buchstäblich eingekesselt und unter Hitlergrüßen und Beleidigungen mit Flaschen beworfen wurden. Teilnehmer sollen schließlich mit Bussen in die Nachbarstadt Mülheim gebracht worden sein. Diese Vorfälle hätten in der Zusammenfassung der Polizei völlig gefehlt. Tessa Kuijer, Sprecherin der Antifa Essen Z, vermutet gar, dass die Polizei mit der Situation überfordert gewesen sein könnte. Zudem vermisst die Antifa eine Debatte über die Teilnahme rechtsradikaler und islamistischer Organisationen.
Und die Linksjugend Solid, Veranstalter der Demo auf dem Weberplatz, kritisiert: „Obwohl jedem klar sein musste, dass nach Beendigung unserer Veranstaltung Teilnehmer zum Hauptbahnhof gehen würden, hat die Polizei die Pro-Israel-Kundgebung auf jenem Platz zugelassen.“ Man hätte die zweite Kundgebung gar nicht erst auf dem direkten Weg zum Hauptbahnhof stattfinden lassen sollen, um das Aufeinanderprallen zu verhindern. So aber sei es zu gewalttätigen Handlungen gekommen. Den Begriff friedlich kritisieren aber auch diejenigen, für die Frieden aufhört, wenn Plakate mit Hakenkreuz im Davidstern gezeigt werden.
Ein Teilnehmer beschreibt Verschärfung der Lage
Als die Pro-Israel-Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz gegen 17 Uhr begann, zogen Teilnehmer der pro-palästinensischen Demo vorbei. Rufe wie „Kindermörder Israel“ wurden laut, „Angeblich früher Opfer – heute selber Täter“ stand auf Plakaten, doch diese erste Konfrontation löste sich schnell wieder auf, weil die Pro-Palästina-Gruppe zunächst weiter zum Weberplatz zog.
Nur 40 Minuten später soll die Einsatzleitung die Menschen auf dem Willy-Brandt-Platz jedoch hastig und nachdrücklich aufgefordert haben, „unsere Versammlung unverzüglich zu beenden“, schildert ein Teilnehmer auf der Internet-Plattform wordpress die Lage. Die Linksjugend auf dem Weberplatz hatte ihre Versammlung vorzeitig beendet. „Die Teilnehmer waren auf dem Weg zu uns“, beschreibt er weiter. „Hätten wir unsere Versammlung aufgelöst, hätten wir in Grüppchen herumgestanden, ohne den Schutz des Versammlungsrechts – ein leichtes Ziel für potenzielle Angreifer“, so begründet er den Verbleib.