Essen. . Ingeborg Schrader ist seit 2005 Vorsitzende des Seniorenbeirats in Essen, kürzlich ist sie 75 Jahre alt geworden. Zum Engagement fand sie auf Umwegen. Ein Porträt.

Ihren 75. Geburtstag hat Ingeborg Schrader gerade mit der Familie und Freunden auf einem kleinen Weingut in der Toskana gefeiert. Dort, wo sie vor 15 Jahren zum zweiten Mal geheiratet hat. „Ein magischer Ort“, schwärmt sie. Und gesteht: Für die Reise habe sie sogar eine Sitzung des Seniorenbeirates „geschwänzt“.

Seit 2005 ist sie die Vorsitzende dieser Interessenvertretung der rund 160.000 Essener, die zur „Generation 60 plus“ gehören – und Schrader eine leidenschaftliche Kämpferin für deren Belange und Soziales generell. Vielleicht wäre das Leben dieser über alle Parteigrenzen hinweg geschätzten Christdemokratin jedoch ganz anders verlaufen, hätte sie nach der Scheidung von ihrem ersten Mann nicht für sich und die Kinder sorgen müssen.

Berufliche Wende nach der Scheidung

1959 hat die Essenerin ihr Abitur gemacht. Ihre Ausbildung zur Zollinspekteurin war eine Idee ihrer Eltern. „Die hielten das für eine sichere Sache.“ Die Tochter hatte für ihr Leben andere Pläne und war nach der Geburt ihres Sohnes und der Tochter „mit Leib und Seele Hausfrau“. Als ihre Ehe Anfang der 1980er Jahre scheiterte, war sie gezwungen, sich neu zu orientieren, „Geld zu verdienen“ und wurde eine berufstätige Mutter.

Ein Bekannter gab ihr den Tipp, sich bei der Essener „Familien- und Krankenpflege“ zu bewerben. Schrader wurde als Buchhalterin eingestellt – und machte Karriere. 25 Jahre war der Verein ihr Arbeitgeber, zehn Jahre war sie dessen Geschäftsführerin. „Diese Arbeit war mir eine Herzensangelegenheit“, wie Schrader sagt. „Als Verein hatten wir Menschen, die wir versorgen mussten und für die wir das Beste wollten.“

Durch ihren Beruf mit den Bedürfnissen und Beschwernissen des Alters bestens vertraut, hat sie sich als Rentnerin dann im Seniorenbeirat der Stadt eingebracht. Für die mittlerweile vierfache Großmutter ein zusätzliches Motiv: „Je älter ich wurde, desto mehr habe ich gemerkt, dass man von Jüngeren nicht mehr richtig ernst genommen wird.“

Vierfache Großmutter

Ob es um Stadtplanung geht, um Sitzgelegenheiten in Parks oder die Qualität von Seniorenheimen – alles Dinge, mit denen sich der Beirat beschäftigt, der an die städtische Verwaltung und den Rat mit Anregungen und Wünschen herantreten kann. „Das Thema, das uns am meisten beschäftigt, ist das Wohnen im Alter“, betont die Vorsitzende, die das gerade in Steele angelaufene Projekt „Naehe“ „einfach großartig“ findet. Eine gemeinsame Initiative der Stadt und der AOK Rheinland-Hamburg, die auf ein langes, selbstständiges Leben zu Hause abzielt und dies mit einem Versorgungsnetzwerk für Senioren im Stadtteil erreichen möchte. „Ich hoffe, dass das auf andere Stadtteile übertragen wird.“

Ende April ist die Kämpferin für die Sache der Senioren wieder zur Vorsitzenden der Essener Senioren-Union gewählt worden – was sie von 2007 bis 2011 schon einmal war. Am 4. Juni tagt der Seniorenbeirat. Auf dieser Sitzung will Ingeborg Schrader erklären, ob sie sich auch erneut als dessen Vorsitzende zur Verfügung stellen wird. „Die nächste Ratsperiode dauert sechs Jahre – dann wäre ich immerhin schon 81.“