Essen. 104 Paten bewegen Woche für Woche bis zu 700 Senioren: Beim Projekt „Willst Du mit mir gehen“ spazieren sie durch 30 Stadtteile. Bewegung ist dabei längst nicht alles, denn viele Teilnehmer haben sich angefreundet, feiern auch Geburtstage und Sommerfeste miteinander.

Kürzlich kam eine neue Teilnehmerin zum Spaziertreff in Kupferdreh. „Mit Tränen in den Augen“, erinnert sich Spazierpate Dieter Rheinisch. „Die Frau hatte ihren Partner verloren und war in ein Loch gefallen“, erzählt der 63-Jährige, bevor er die gute Nachricht verrät: Sie ist dabei geblieben – und sie lacht. Für Dieter Rheinisch ist das auch eine Bestätigung: „Ich habe mit diesem Ehrenamt die richtige Entscheidung getroffen.“

Mit dem Kupferdreher sind es inzwischen 104 Paten, die das Spazier-Projekt „Willst Du mit mir gehen“ mit Leben füllen. Als das vor gut zwei Jahren startete, da hatten sie sich ganz schön was vorgenommen: Senioren bewegen, deren Gesundheit und Selbstständigkeit fördern, ihnen gleichzeitig soziale Kontakte ermöglichen und mit ihnen neue Ecken im Stadtteil entdecken. Blickt Organisatorin Ingeborg Schrader (Seniorenbeirat) nun auf das Projekt, formuliert sie gerührt ihre Dankbarkeit darüber: „Dass wir so viele geworden sind.“ Lisa Schwermer (Gesundheitskonferenz) nennt es: „Wahnsinn.“

Spaziergänger werden zu Sängern

Denn die Spaziertreffen für Senioren, die inzwischen in 30 Stadtteilen angeboten werden und jede Woche hunderte Teilnehmer haben, sind längst im positiven Sinn aus dem Ruder gelaufen. All das, was die Gruppen unternehmen, geht weit über die geplante Spazier-Stunde hinaus. Es reicht vom Kaffeetrinken über Ausflüge bis zu Freundschaften. „Aus einem Miteinander kann ein Füreinander werden, wenn man es zulässt“, beschreibt Renate Mährlein (79) ihre gewachsene Gemeinschaft auf der Margarethenhöhe. Sie feiern Geburtstage und Karneval, halten alles in Bildern und Texten fest.

In Heisingen ist rund um Patin Ulla Wöll-Stepez (66) ein Chor entstanden: die Senior-Singers. Die Erlebnisse der Spaziertruppe bei Sommerfesten und Adventsfeiern hat sie auf 74 Seiten zum Buch gebunden, während ihr Mitstreiter Jürgen Brendt (71) regelmäßig historische Diavorträge vorbereitet.

Durch Zufall Jugendfreund wiedergefunden

Die Spaziergänger aus Gerschede haben ihren Treff erweitert: Kinder aus einer Kita laufen mit, sagt Patin Monika Longrée (71). In Rüttenscheid haben vier Quotenmänner die Frauengruppe erweitert, die bei Schnee, Sturm und Regen läuft. Angeführt wird die von der ältesten Teilnehmerin mit 88 Jahren, erzählt Ingrid Weston („Paten-Urgestein“). Für sie ist das nicht genug: „Wir müssen noch viel mehr diejenigen erreichen, die sonst gar nicht vor die Tür gehen“, sagt sie und hofft, dass sich ihre Treffen weiter herumsprechen. Immerhin haben die sich bereits über die Stadtteilgrenzen hinaus verbreitet. Auf die Margarethenhöhe etwa kommen Teilnehmer aus Stadtwald, Stadtmitte und Holsterhausen.

Paten für drei weitere Stadtteile gesucht

Entstanden ist das Spazier-Projekt auf Initiative von Seniorenbeirat, Gesundheitskonferenz und Seniorenreferat. Gesucht werden noch Paten für folgende Stadtteile: Altenessen-Süd, Altendorf und Bochold.

Oberbürgermeister Reinhard Paß dankte den Paten beim Empfang im Rathaus und lobte ihr Projekt als „Erfolgsmodell für ehrenamtliches Engagement“.

Spazier-Termine in der WAZ auf der Seite: „Termine – Das Beste von heute in Essen“.

Info: 88 53 118 (Paten); 88 500 88 (Spaziergänger)

Ein Senior aus Haarzopf fährt nun mittwochs zum Spaziertreff nach Kupferdreh, sagt Dieter Rheinisch: „Er hat hier durch Zufall seinen Jugendfreund wiedergefunden.“