Autor Lutz Hübner zeichnet ein sensibles, tragikomisches Porträt der Generation 50 Plus. Gefeierte Inszenierung im Theater im Rathaus.

Es soll Leute gegeben haben, die bei „Blütenträume“, das seit Donnerstag im Theater im Rathaus gastiert, eine typisch boulevardeske Komödie erwartet haben. Diejenigen merkten spätestens in der Pause: Sie sitzen im falschen Stück. Denn Lutz Hübner hat viel mehr ein einfühlsames Schauspiel über Einsamkeit im Alter geschrieben, das mit hintergründigem, augenzwinkerndem Humor statt mit Schenkelklopfern daherkommt.

Lutz Hübner ist seit über zehn Jahren der meist gespielte Autor des Landes und hat damit sogar Berthold Brecht vom Sockel gestoßen. Und an „Blütenträume“, das seine Uraufführung übrigens 2007 im Grillo-Theater feierte, kann man genau erkennen, was den Autoren so beliebt macht: Es ist die Kombination aus lebensnahen Themen, einer greifbaren Charakterzeichnung und intelligenten wie authentischen Dialogen. Ist er zunächst überwiegend mit Stücken bekannt geworden, die die Lebenswelt Jugendlicher widerspiegelt, hat er sich mit „Blütenträume“ dem reiferen Alter gewidmet.

Sechs Senioren – oder, wie es der distinguierte Ex-Schulrektor Friedrich (Hans-Peter Deppe) in dem Stück formuliert, Menschen in der „nachberuflichen Lebensphase“ – und eine Managerin in den 40ern (Saskia Valencia) besuchen in der Volkshochschule einen Flirtkurs für die Generation 50+. Der Kursleiter Jan (Armin Sengenberger) ist jung, dynamisch – und ein wenig übereifrig. Doch die älteren Herrschaften halten wenig von Jans Rollenspielchen und modernen Coaching-Methoden – und noch weniger von der herablassenden Art, mit der er ihnen etwas beibringen will. Auch wenn sich anfangs nicht alle Senioren mit all ihren unterschiedlichen Leben grün sind, bildet sich nach und nach eine Front gegen den Kursleiter. Doch als sie in rauswerfen, beginnen sie den Kurs zu vermissen.

Regisseur Kay Neumann schlägt sich in seiner Inszenierung voll auf die Seite der Senioren. So bleibt der Kursleiter der einzige Charakter, für den man im Laufe des Stücks kaum Sympathien aufbringen kann. Selbst die besserwisserische Bibliothekarin Britta (Antje Cornellisen) kann spätestens in der zweiten Hälfte das Eis brechen. Andere, wie die stets gut gelaunte Witwe Gila (Renée Zalsuky) oder der etwas einfach gestrickte Heinz (Michael Derda), erobern dagegen sofort das Herz des Zuschauers. Überhaupt ist es Kay Neumann gelungen, eine Idealbesetzung zusammenzustellen. Das gilt insbesondere für Michael Altmann als introvertierter Schreiner Ulf und Claudia Rieschel als gut situierte Witwe Frieda, die nach dem Tod ihres von langer Krankheit geplagten Mannes auf Sinnsuche ist.

So erzählt Neumann mit ruhiger Hand die Geschichte über Freundschaften, Illusionen und Realitäten von Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Ein intelligentes, tragikomisches Stück über Senioren, das keinesfalls altbacken rüberkommt und mehr aufs Herz denn aufs Zwerchfell zielt.