Essen. . Erneut werden die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) dem Ruf als Selbstbedienungsladen gerecht: Jahrelang wurden Fahrer für SPD-Bürgermeister finanziert. Nun muss die Stadt mindestens 250 000 Euro nachzahlen. Der Fall kam nun im Nachklang der EBE-Affäre um Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft ans Licht.
Das „Transportieren“ zählt laut Eigenwerbung der Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) neben dem „Entsorgen“ und „Reinigen“ zu den Kernkompetenzen des Unternehmens. Allerdings hat die ehemalige Geschäftsführung diesen Begriff deutlich weitergefasst, als es Sperrmüllabfuhr oder die wöchentliche Leerung der Restmülltonnen vermuten ließen. Wie sonst ist folgender Vorgang zu erklären, der nun im Nachklang der Affäre um Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft das Licht der Öffentlichkeit erreicht:
Die Entsorgungsbetriebe haben über Jahre den Fahrer für Essens 1. Bürgermeister, Rudi Jelinek (SPD), gestellt, und zwar kostenlos. Denn gezahlt hat die Stadt für diese Leistung nicht einen Cent. Damit nicht genug: Schon Essens langjährige Bürgermeisterin Annette Jäger fuhr offenbar jahrelang auf Kosten der EBE. Im Raum steht eine sechsstellige Summe. Mindestens.
Rechnung kam erst diese Woche
Jochen Sander, Interimsgeschäftsführer der Entsorgungsbetriebe, zeigte sich auf Nachfrage der Redaktion bemüht, den Fall tief zu hängen: Die Gestellung von Personal sei zwischen der Stadt und ihren Tochtergesellschaften sehr wohl üblich. „Den Sachverhalt haben wir inzwischen in Rechnung gestellt“, so Sander. Beides stimmt. Aber: Einer Personalgestellung liegt üblicherweise ein Vertrag zu Grunde. Einen solchen gibt es in besagtem Fall nach Informationen dieser Zeitung nicht. Und: Die Rechnung hat die Stadt erst mit ziemlicher Verspätung erreicht, nämlich in dieser Woche. Zahlen soll sie für die zurückliegenden vier Jahre und zwar insgesamt 250 000 Euro. Eine stolze Summe, wobei es dabei wohlgemerkt allein um den Fahrer von Bürgermeister Jelinek geht.
Dieser reagierte überrascht: Sein Chauffeur sei schon da gewesen, als er das Ehrenamt nach der Kommunalwahl 2009 übernommen habe, so Jelinek im Gespräch mit der WAZ. „Es war der Fahrer von Frau Jäger. Der kam von der EBE und ist dorthin zurückgegangen. Dann kam von der EBE ein neuer“, so Jelinek. Ob die Fahrten mit der Stadt abgerechnet worden seien, wisse er nicht. Der Bürgermeister ging offenbar davon aus. Mit seinem Fahrer sei er übrigens „sehr zufrieden“. Allem Anschein nach war es im Rathaus aber „gute Tradition“, dass die Entsorgungsbetriebe auf dem kurzen Dienstweg aushalfen, wenn Not am Mann war.
Remondis brachte EBE-Skandal ins Rollen
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Von der Stadt dazu kein Wort, die Verwaltung beließ es auf Anfrage bei einer schriftlichen Stellungnahme aus dem Personaldezernat: Demnach sei bei der von Oberbürgermeister Reinhard Paß im Nachklang der EBE-Affäre angeordneten Überprüfung von Geschäftsbeziehungen städtischer Beteiligungsunternehmen aufgefallen, dass Jelineks Fahrer noch nicht abgerechnet worden war. Die EBE sei daraufhin aufgefordert worden, dies nachzuholen. Anders formuliert: Hätte der Müllentsorger Remondis als privater Mitgesellschafter den EBE-Skandal nicht ins Rollen gebracht, die Gefälligkeit in Sachen Fahrdienst wäre nie aufgefallen.
Und was ist mit den Fahrten für Annette Jäger in ihrer Zeit als Bürgermeisterin? Auf Geheiß des OB soll die EBE-Geschäftsführung prüfen, ob es offene Forderungen aus weiter zurückliegenden Tagen gibt, die nicht „vertragsgerecht abgerechnet“ wurden. Was voraussetzen würde, dass es überhaupt Verträge gibt. Nicht auszuschließen ist aber, dass bald noch weitere und deutlich höhere Rechnungen der EBE im Rathaus eingehen. Annette Jäger war von 1999 an ehrenamtliche Bürgermeisterin. Ach so: Jelineks Chauffeur ist seit dem 1. April übrigens Angestellter der Stadt.