Essen. Die Ratspolitiker erhielten am Mittwoch eine Auflistung zu den mutmaßlichen finanziellen Verfehlungen von Klaus Kunze. Der Ex-Geschäftsführer und einige seiner Günstlinge sollen nun zur Rechenschaft gezogen werden.
Ein bisschen fühlt man sich im EBE-Skandal wie im Fall Hoeneß: Die Zahlen steigen und steigen. Auf jetzt immerhin stolze rund 740 000 Euro beläuft sich nach den Berechnungen und der „rechtlichen Würdigung“ einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei der mögliche Schaden, den Ex-Geschäftsführer Klaus Kunze den ihm anvertrauten Entsorgungsbetrieben durch mannigfaches Fehlverhalten zugefügt habe.
Diese vorläufige Gesamtsumme und ein paar weitere Einblicke in das bitter-scherzhaft „Kunzes Königreich“ genannte städtische Tochterunternehmen sorgten gestern im nichtöffentlichen Teil des Haupt- und Finanzausschusses für eine teils lebhafte Diskussion. Vor allem Oberbürgermeister Reinhard Paß musste sich die Frage gefallen lassen, wieso er als Aufsichtsratsvorsitzender von all dem keine Kenntnis gehabt haben soll.
Und so setzt sich die Schadenssumme zusammen:
Euro 404 000 für den teils dubiosen IT-Vertrag mit EX-SPD-Ratsherr Harald Hoppensack.
Euro 81 000 für das überhöhte Entgelt für den langjährigen Betriebsratsvorsitzenden Thomas Altenbeck, das laut Rechnungsprüfungsamt der Stadt den Verdacht der Korruption aufkommen lasse.
Euro 39 300 für unrechtmäßig zugeteilte Dienstwagen der Betriebsräte, ferner Euro 1500 für unmäßig zinsgünstige Darlehen für den Betriebsratsvorsitzenden.
Euro 180 000 für Fußballtickets, die Kunze an Günstlinge aller Art verteilen ließ.
Euro 26 000 für einen zweiten Dienstwagen, einen Audi A6, den Kunze sich zusätzlich zu seinem ersten Dienstwagen - einem Mercedes-Benz - leistete.
Euro 11 400 für Gesundheitsvorsorge für Kunze, Euro 7600 für entsprechende Leistungen für die Betriebsräte.
Darüber hinaus habe die Interims-Geschäftsführung einen weiteren Schaden von 165 000 Euro ermittelt, der der EBE in den Jahren 2008 bis 2010 durch fehlerhafte Abrechnungen von Schrott-Erlösen mit Dritten entstanden sei.
Paß ließ gestern mitteilen, er habe den Gesellschaftern der EBE - der städtischen Holding EVV und dem Minderheitseigentümer Remondis - empfohlen, die EBE-Geschäftsführung zu beauftragen, „alle Maßnahmen einzuleiten, um den Schaden bei den Verursachern geltend zu machen.“ Für das Privatunternehmen Remondis dürfte dies eine Genugtuung sein. Denn als Remondis die Vorwürfe gegen Kunze im Jahr 2013 an die Öffentlichkeit brachte, hatte der OB sie zunächst heftig zurückwiesen und unter anderem auch die WAZ beschimpft, weil diese Zeitung über die Vorgänge bei der EBE sogleich berichtet hatte. In ihren wesentlichen Teilen haben sich die Vorwürfe nun aber nicht nur als richtig herausgestellt, die unabhängigen Prüfungen erbrachten sogar teilweise Verfehlungen, die über das ursprünglich Bekannte hinausgingen.
Für CDU-Fraktionschef Thomas Kufen stellt sich die Frage nach der Verantwortung: „Der Oberbürgermeister sollte sich prüfen, ob er noch der richtige ist an der Spitze des EBE-Aufsichtsrats.“
Dass „die EBE einen Neuanfang braucht“, gilt nach Ansicht von Thomas Kufen nicht nur für den Aufsichtsrat. Die Suche nach einem neuen Geschäftsführer ist indes immer noch nicht abgeschlossen, ab 1. April wird nach Andreas Hillebrand nun zunächst mit Jochen Sander ein weiterer Übergangs-Geschäftsführer auf dem Chefsessel der EBE Platz nehmen. Sander ist Prokurist bei der Holding EVV, in der die Stadt einen Teil ihrer Töchterunternehmen bündelt, und war früher Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, erfreut sich aber auch bei anderen Parteien eines guten Rufs.
Kufen zufolge wäre es auch mehr als wünschenswert, wenn EBE-Betriebsratschef Thomas Altenbeck seinen Posten räumte. Darauf hat die Politik jedoch keinen Einfluss, die Neuwahl des EBE-Betriebsrats stehe Anfang April an. Altenbeck hat zwar ernstzunehmende Konkurrenz, will sich allerdings gleichwohl erneut zur Wahl stellen.
Forderungen auf Rückzahlung der zu Unrecht kassierten oder ausgegebenen Gelder richten sich nicht nur gegen Ex-EBE-Geschäftsführer Kunze und Betriebsrat Altenbeck, sondern auch gegen den früheren SPD-Ratsherrn Hoppensack. Der Sprecher der Geschäftsführung der EVV, Allbau-Chef Dirk Miklikowski, kündigte „eine Prüfung juristischer Schritte gegen die Verursacher an“. Zudem prüfe die Staatsanwaltschaft derzeit die strafrechtliche Bewertung des Falls.