Essen. . Incognito-Bewerbungen sollen vor Diskriminierung schützen. Die Stadt Essen und die Universität Duisburg-Essen prüfen derzeit die Vor- und Nachteile dieses Verfahrens. So mancher Personalchef reagiert hingegen skeptisch. Viele Unternehmen setzen sogar gezielt auf personelle Vielfalt.

Es ist ein neuer Trend auf dem Job-Markt und soll vor Diskriminierung schützen: die anonymisierte Bewerbung. Jobsuchende verzichten darin auf klassische Angaben wie Name und Anschrift, Geschlecht und Nationalität. Warum? Vielleicht weil ein Bewerber aus dem Nordviertel fürchtet, schlechtere Karten zu haben als jemand aus Bredeney. Oder weil Bewerber, die Mohammed oder Kevin heißen, ahnen, dass so mancher Personalchef Sophie und Maximilian bevzorzugen könnte. Die WAZ befragte Essener Arbeitgeber.

„Wir stehen der anonymisierten Bewerbung neutral gegenüber“, sagt ein Thyssen-Krupp-Sprecher, und fügt hinzu: „Solche Bewerbungen nehmen zu.“ Ausschlaggebend sei die Qualifikation der Bewerber.

Herkunft und Nationalität nicht entscheidend

„Grundsätzlich nehmen wir auch anonymisierte Bewerbungen an“, heißt es beim Schuhgiganten Deichmann. Bewerbungen um eine Lehrstelle seien aber auch ohne Fotos möglich. „Weder Herkunft noch Nationalität sind entscheidend, sondern die Qualifikation“, betont ein Sprecher. In einem neuen Lager seien kürzlich 73 Mitarbeiter eingestellt worden. „25 kamen aus der Arbeitslosigkeit, der älteste war 58.“ Für Deichmann sei wichtig, Menschen mit Migrationshintergrund zu integrieren.

So funktioniert’s bei unseren europäischen Nachbarn

Die „Anonymisierte Bewerbung“ ist in der öffentlichen Verwaltung in Belgien Standard. In Frankreich müssen laut Gesetz Herkunft und Anschrift nicht erwähnt werden.

Das Institut zur Zukunft der Arbeit fand heraus: „Anonymisierte Bewerbungen sind prinzipiell geeignet, verschiedene Formen der Diskriminierung im Bewerbungsprozess zu reduzieren.“

Fazit eines Modellprojekts in Schweden: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund werden dank anonymisierter Bewerbungen eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Die Stadt Essen hat „Incognito“-Bewerbungen jetzt auf die Tagesordnung gesetzt. Der Auftrag an die Verwaltung: Vor- und Nachteile dieses Verfahrens auflisten und dem Personalausschuss im März Bericht erstatten. Auch die Uni Duisburg-Essen lässt prüfen, ob sich die anonyme Bewerbung umsetzen lässt. „Sie ist eine mögliche Alternative zum klassischen Verfahren“, so eine Sprecherin.

Skeptisch aus pragmatischen Gründen

Dass das Uni-Klinikum ein überaus attraktiver Arbeitgeber ist, belegen die 16.000 Bewerbungen im Jahr. Allein aus pragmatischen Gründen steht Personalchef Ralf Zimmermanns anonymen Bewerbungen daher skeptisch gegenüber. „Der organisatorische Aufwand wäre sehr hoch.“ Angst vor Diskriminierung müssten Bewerber ohnehin nicht haben. Im Gegenteil: „Wir setzen beim Personal gezielt auf Vielfalt und Internationalität.“ Allein schon wegen des großen Fachkräftemangels im Pflegebereich sei die Klinik auf nicht-deutsche Bewerber angewiesen. Ähnliches gelte im wissenschaftlichen Bereich. Bei Ärzten seien mehr als 50 Prozent der Bewerber inzwischen keine Deutschen. Zimmermanns: „Personelle Vielfalt tut der Unternehmenskultur und dem Betriebsklima gut.“

Bernhard Lüders, geschäftsführender Gesellschafter bei „Sutter“, hält wenig von anonymisierten Bewerbungen. Er möchte viel wissen von denen, die sich um einen Job bewerben. Zwar seien gute Bildungsabschlüsse und der beruflicher Werdegang wichtig. „Entscheidend sind jedoch Individualität und Teamfähigkeit.“ Lüders: „Ich brauche Menschen, mit denen wir uns wohl fühlen und die sich in unserem Team wohl fühlen.“