Essen. Essens Sozialdezernent Peter Rentzel hatte mit seinem Vorschlag Trinkern, die die Stadt putzen, Bier zu geben, für Aufsehen gesorgt. Die Geschäftsleute in der Innenstadt setzen große Hoffnungen in das Projekt. Und: Drei von vier Betroffenen aus der Szene wünschen sich eine Arbeit.
„Putzen für Bier“ - das ungewöhnliche und von einem enormen Medienecho begleitete Projekt der Stadt Essen nimmt konkrete Formen an. „Wir hoffen, schon im Mai loslegen zu können“, sagt die Leiterin der Suchthilfe, Bärbel Marrziniak, dieser Zeitung. Erfreulich für das von Sozialdezernent Peter Rentzel angestoßene Modell: Nicht nur in den Ratsfraktionen, auch bei Polizei und Staatsanwaltschaft stößt das aus Amsterdam übernommene Konzept zur „Heilung“ der Trinkerszene auf ein bemerkenswertes Wohlwollen.
Selbst die Geschäftsleute, denen insbesondere die auffällige Trinkerszene auf dem Willy-Brandt-Platz seit Langem ein Dorn im Auge ist, setzen große Hoffnungen in das Renzel-Projekt. „Ein kreativer Ansatz, den wir ausdrücklich begrüßen“, findet Marc Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Ruhr, der allerdings eine deutliche Mahnung hinterherschickt: „Die Ordnungskräfte müssen unbedingt Präsenz zeigen, Hilfe und Kontrolle - das muss Hand in Hand gehen.“
Die Szene in der Essener Innenstadt
„Ich möchte ‘was Sinnvolles tun“ - „Wir wollen zeigen, dass wir keine Arschlöcher sind“ - Sätze wie diese fielen oft, als die WAZ im Februar mit der Szene auf dem Willy-Brandt-Platz sprach.
Die Suchthilfe über die Szene: „Gemeinsame Merkmale sind Langzeitarbeitslosigkeit, fehlende Tagesstruktur sowie eine fehlende Motivation zur abstinenten Lebensführung. Es handelt sich um Menschen mit Hafterfahrung, die langjährig abhängig sind.“
Innerhalb der Szene gibt es eine Gruppe von „Schwerst- und Mehrfachabhängigen“. Reine „Trinker“ sind in der Minderheit.
Diese Sorge der Geschäftsleute hat die Suchthilfe in ihrer weitsichtigen Projektplanung längst berücksichtigt. Abweichend vom Amsterdamer Modell soll es - sozusagen als Essener Besonderheit - einen so genannten „Umfeld-Manager“ geben. Einen robusten, bodenständigen Mann, der Sozialarbeiter und Kümmerer für die Trinkerszene, zugleich aber Rund-um-die-Uhr-Ansprechpartner für die Gewerbetreibenden sein soll.
Aktuelle Umfrage bei der Trinker-Szene
Ermutigt fühlt sich das Suchthilfe-Team um Bärbel Marrziniak durch eine aktuelle Umfrage bei der so genannten Trinkerszene, einer Klientel, die sich bei genauerem Hinsehen zu 90 Prozent als (mehrfach) drogenabhängig einstufen lässt. Das wichtigste Ergebnis: drei von vier Trinkern, die zurzeit keiner Beschäftigung nachgehen, geben an, „sich eine Beschäftigung und eine geregelte Tagesstruktur zu wünschen“.
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Die Umfrage erfolgt an den Stellen, an denen die Szene besonders präsent ist: am Willy-Brandt-Platz und im Waldthausen-Park, wo sich tagsüber insgesamt bis zu 55 Personen aufhalten. Nach der Szene-Befragung zwischen dem 24. Januar und dem 17. Februar hat die Suchthilfe 51 Bögen auswerten können. Neun von zehn Befragten gaben an, keine Arbeit zu haben. Nur zehn Prozent arbeiten in Ein-Euro-Jobs.
Enormes Medienecho ausgelöst
Das „Putzen für Bier“-Projekt sieht vor, dass alkokol- und drogenkranke Menschen Parks und Plätze, Straßen und Spielplätze reinigen und dafür mit Bier belohnt oder überhaupt motiviert werden. Ein Konzept, das in Deutschland wohl einmalig ist und deshalb ein enormes Medienecho auslöste.
„Selbst das russische Fernsehen und das belgische Radio haben sich bei uns gemeldet“, sagt Bärbel Marrziniak.