Essen. . Oliver Balgar von der Essener Suchthilfe war in Amsterdam, um sich dort über die Arbeit mit Alkoholikern zu informieren. In der niederländischen Metropole putzen Alkoholkranke die Stadt. Mit Kollegen erarbeitet er ein Konzept für Essen. Die Arbeit mit Suchtkranken soll im Frühsommer starten.

Vor zwei Wochen war Oliver Balgar von der Essener Suchthilfe in Amsterdam. Um sich ein Bild davon zu machen, ob und wie es funktioniert, wenn Alkoholkranke als Putz-Kolonne eingesetzt werden. Für Essen soll Oliver Balgar mit Kollegen ein Konzept nach dem Vorbild der niederländischen Hauptstadt entwickeln.

In dieser Woche wird es zu den Rahmenbedingungen Gespräche mit Sozialdezernent Peter Renzel geben. Balgar betont, dass er in vielen Punkten von den Aktivitäten der Niederländer beeindruckt sei, dass man diese aber nicht eins zu eins auf Essen übertragen könne.

Bevor die suchtkranken Reinigungskräfte arbeiten, gibt es zwei Dosen Bier

„Beispiel: In Amsterdam nehmen 30 Alkoholkranke am Projekt teil.“ Dies hält der Sucht-Experte in Essen für „nicht zu handhaben. Wir werden, wenn alles klappt, im Frühsommer wohl erst einmal mit fünf Leuten starten, dann auf zehn aufstocken und schauen, wie das so geht.“ Der Sozialpädagoge und studierte Sozialmanager hat in Amsterdam mit dem dortigen Projekt-Koordinator, Conrad Kockert, gesprochen. Und erfahren, dass die suchtkranken Reinigungskräfte pünktlich um neun Uhr mit ihrer Arbeit beginnen, vorher aber erst einmal zwei Dosen Bier trinken.

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Wenn man von Kritikern höre, eine solche Versorgung mit Alkohol sei unglaublich, müsse man bedenken: „Es handelt sich um schwerstabhängige Menschen. Ohne das Bier wären sie morgens gar nicht in der Lage, rauszugehen.“ Sieben Biere gebe es insgesamt täglich für die, die sechs Stunden arbeiteten. Und gearbeitet werde dort an sechs Tagen in der Woche.

„Ob wir in Essen für die Leute auch sechs Stunden täglich ansetzen oder lieber zwei oder drei, wissen wir noch nicht.“ Wie in Amsterdam sei aber beabsichtigt, dass die Trinker nicht nur ihre eigenen Treffpunkte säuberten, sondern auch die nähere Umgebung. Auch in Essen kämen nur Schwerst­suchtkranke für das Projekt infrage, wie man sie am Willy-Brandt-Platz, am Kopstadtplatz oder am Waldhausenpark antreffe. „Das sind ja Leute, die wir als Suchthilfe zum größten Teil kennen.“

Pünktlichkeit und regelmäßige Arbeit - der Tag bekommt so wieder eine Struktur

Oliver Balgar betont außerdem, dass die Suchthilfe den Anspruch habe, den Leuten Perspektiven aufzuzeigen. „Es geht nicht darum, sie nur mit Bier zu versorgen, um sie dann arbeiten zu lassen. Wir haben als Suchhilfe ein gut funktionierendes Hilfesystem.“ So sei eine regelmäßige Beratung der Teilnehmer geplant, „auch über die gesundheitlichen Folgen des Trinkens“. Mittags könne man ihnen ein warmes Essen im hauseigenen Café anbieten – und eine Dusche. „Auch das ist für Suchtkranke nicht selbstverständlich.“ Das Erlernen von Pünktlichkeit und von regelmäßiger Arbeit sei wichtig. „Weil der Tag so eine Struktur bekommt und Arbeit Menschen einen Sinn geben kann.“

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Dass Arbeit auch stolz macht, zeigt die Antwort auf Balgars Nachfrage in Amsterdam, ob die orangefarbene Kleidung der Putz-Kolonne die Träger nicht stigmatisiere. „Die Leute haben gesagt: Das finden wir gut. Da sehen die Menschen, wir tun was. Das ist eine Arbeitskleidung.“

Die Suchthilfe soll Trägerin des Essener Projektes sein. „Bei uns ist in den letzten Jahren in vielen Bereichen gekürzt worden“, sagt der Sucht-Experte. Mit dem jetzigen Personal sei die neue Arbeit nicht zu machen. „In Amsterdam gibt es dafür eine Sozialarbeiterin, die nichts anderes tut. So jemanden werden wir auch brauchen.“