Essen. Das Beschäftigungs-Projekt der Suchthilfe bekommt Unterstützung von den Betroffenen selbst. Fast 90 Prozent der Menschen aus der Alkoholiker-Szene haben noch nicht einmal einen Ein-Euro-Job.
Eine echte Schnaps-Idee oder ein vielversprechender neuer sozialer Ansatz für mehr Sauberkeit und subjektive Sicherheit in der City: Das umstrittene Beschäftigungsprojekt für Alkohol-Abhängige nach Amsterdamer Vorbild hat nicht nur bundesweit hohe Wellen geschlagen. Auch international stößt das Vorhaben der Stadt offenbar auf Interesse: Das erste russische Fernsehen hat sich zu einem Dokumentar-Dreh angesagt, wenn die Trinkerszene vorbehaltlich der politischen Zustimmung voraussichtlich ab Mai das erste Mal zum Besen greifen wird, um das Umfeld des Willy-Brandt-Platzes und des Waldthausenparks sauber zu halten.
Während die Verantwortlichen der Suchthilfe zurzeit in den Ratsfraktionen für ihr Projekt werben, das in der holländischen Metropole durchaus erfolgreich laufen soll, bekommen sie eine für manchen wohl überraschende Unterstützung von den Betroffenen selbst. Mehr als Dreiviertel der Szenegänger, die keinerlei Beschäftigung nachgehen, wünschen sich genau das und einen möglichst geregelten Tagesablauf.
Kaum Ein-Euro-Jobs
Tatsächlich hat nur jeder zehnte zumindest einen so genannten Ein-Euro-Job. 90 Prozent der Betroffenen, von denen die überwiegende Mehrheit älter als 36 Jahre ist, gehören der Rauschgiftszene an und brauchen die Unterstützung der Drogenhelfer. Dies sind im Kern die wichtigsten Erkenntnisse aus einer Umfrage der Suchthilfe in der Szene selbst. Bislang wurden diese Ergebnisse noch nicht veröffentlicht.
Die größten Trinker-Treffs sind demnach der Willy-Brandt-Platz und der Waldthausenpark. Nach Erkenntnissen der Suchthilfe-Mitarbeiter halten sich am Eingangs-Tor der Innenstadt gegenüber des Hauptbahnhofs zum Missfallen der Geschäftsleute bis zu 21 Szene-Angehörige auf. Am zweiten Treff wurden bis zu 34 Menschen gezählt. Allerdings variieren die Zahlen je nach Witterung und Tageszeit stark, heißt es seitens der Suchthilfe.
Für Menschen, die ohne Alkohol nicht funktionieren können
In zwei Wochen wollen sich Experten des Sozialamts und des Jobcenters darüber austauschen, aus welchen Töpfen das zunächst auf ein Jahr befristete Projekt finanziert werden kann. Zudem soll ein „Umfeldmanager“ sich sowohl um die Szene kümmern, als auch ein offenes Ohr für die Interessen der Geschäftsleute haben. Auch über eine unzerstörbare Toilettenanlage auf dem Willy-Brandt-Platz wird nachgedacht.
Wie die NRZ berichtete, richtet sich der Vorstoß, Alkoholiker für eine begrenzte Menge Bier und gegen ein kleines Entgelt Straßen und Plätze fegen zu lassen, an Menschen, die ohne einen gewissen Promille-Pegel nicht funktionieren würden. Was für Kritiker dem Versuch gleichkommt, Feuer mit Benzin löschen zu wollen, ist für Suchtexperten der Erkenntnis geschuldet: Erst wenn man durch einen gewissen Zugang zu den Menschen weiß, wie ihre Abhängigkeit zu steuern ist, kann man versuchen, ihrem Leben über ein Minimum an Beschäftigung einen neuen Sinn zu geben – Ausstieg am Ende möglich.