Essen. Schachzug mit Kalkül? Essens OB Reinhard Paß will die Beantragung von EU-Fördergeld künftig an den Fortgang seines Strategieprozesses „Essen.2030“ knüpfen und so sein Zukunftsprojekt offensichtlich retten. Der Rat soll darüber abstimmen. Doch nicht jedem passt das.
Oberbürgermeister Reinhard Paß geht offensichtlich in die Offensive, um seinen dahin dümpelnden Strategieprozess Essen.2030 wieder anzuschieben. Zur nächsten Stadtratssitzung am 26. Februar soll das Gremium über eine Vorlage entscheiden, die eine gewisse politische Brisanz birgt: Paß will den Strategieprozess mit der Beantragung von EU-Fördergeldern verknüpfen. Das heißt: Die innerhalb von Essen.2030 entwickelten Projekte sollen die Grundlage dafür sein, um künftig an Fördertöpfe zu kommen. Den entsprechenden Antrag hat Paß am Montag unterschrieben.
Kluger Schachzug oder Pistole-auf-die-Brust-Politik? Denn es stellt sich natürlich die Frage: Kann die Politik nun überhaupt noch gegen Essen.2030 sein? Zumal die CDU, die dem Prozess eigentlich weiter skeptisch gegenübersteht, erst kürzlich der Verwaltung ins Hausaufgabenheft geschrieben hatte, Projekte möglichst schnell voranzutreiben, um an die EU-Fördermillionen zu kommen.
CDU und EBB überrascht
CDU und Essener Bürgerbündnis (EBB) reagierten entsprechend überrascht auf den Vorstoß des OB. „Das kommt für uns wie Zieten aus dem Busch“, sagte EBB-Fraktionschef Udo Bayer, der Essen.2030 äußerst kritisch gegenüber steht.
Auch CDU-Ratsfrau Barbara Rörig fand deutliche Worte: „Das ist in meinen Augen Kinderpolitik – nach dem Motto: Wenn du das nicht machst, bekommst du das nicht.“ Aus ihrer Sicht ist es überhaupt nicht notwendig, den Strategieprozess an die Beantragung von Fördergeldern zu knüpfen. „Sich um Fördermittel für Projekte zu bemühen, sollte tägliches Geschäft der Verwaltung sein“, sagte sie. Zumal die Projekte, die in Essen.2030 bislang festgeschrieben sind, ohnehin bekannt sind und an ihnen teilweise schon gearbeitet wird.
Rörig bestätigte, dass die Vorbehalte ihrer Partei gegenüber dem Strategieprozess noch nicht beseitigt sind. „Wir ringen da noch sehr stark mit uns“, sagte sie. Ihre Kritik: Solange Essen.2030 lediglich ohnehin Bekanntes subsumiere, habe dies nichts mit einer Zukunftsvision für die Stadt zu tun.
Wirtschaft macht Druck
Offensichtlich hat also auch ein Treffen der Fraktionsspitzen vergangene Woche mit Paß und der Interessengemeinschaft Essener Wirtschaft (IEW) nichts an den Vorbehalten geändert. Das Treffen war auf Betreiben der Wirtschaft zustande gekommen, um den Strategieprozess wieder in Gang zu setzen. Schließlich hat die IEW bereits rund 800.000 Euro in das Projekt investiert. Wie mehrere Teilnehmer bestätigten, hat die Wirtschaft indirekt sogar weitere Gelder in Aussicht gestellt, falls sich die Politik weiter hinter Essen.2030 klemmt.
Der 2012 angestoßene Strategieprozess kommt seit Mitte vergangenen Jahres nicht voran. Mehrere geplante Abstimmungen im Rat wurden immer wieder verschoben. Die Ratssitzung am 26. Februar dürfte richtungsweisend sein.