Essen. . Im Streit um den Ankauf eines Grundstücks zum Straßenbau in Essen hat der Tüv Nord angekündigt, politische Äußerungen der Ratsmitglieder auf ihren Strafbarkeitsgehalt zu prüfen. Denn auch für Politiker endet das Recht auf Meinungsfreiheit dort, wo es für alle Bürger endet: beim Strafrecht.

Von Udo Bayer bekommen die Linken immer Saures, sie haben sich dran gewöhnt. Und bekommen dann auch schon mal zu hören, sie wären bei ihrer jüngsten politischen Entscheidungsfindung wohl wieder mal „bekifft“ gewesen.

Mit derlei kecken Sprüchen können Politiker nicht jeden überziehen, das ist spätestens klar, seit der Tüv Nord jetzt in einem ausführlichen Schreiben angekündigt hat, die Äußerungen einiger Ratspolitiker im städtischen Planungsausschuss „auf ihren möglichen Strafbarkeitsgehalt zu überprüfen“. Denn Spekulation auf „völlig überhöhte Kaufpreise“ und andere „inakzeptable Schweinereien“ mag sich in öffentlicher Sitzung nicht jeder vorwerfen lassen.

Planungsdezernent findet Drohkulisse bedenklich

Planungsdezernent Hans-Jürgen Best hat mittlerweile das Rechtsamt eingeschaltet – und findet die Drohkulisse des Tüv Nord bedenklich: Denn „es kann ja nicht sein, dass die Ratsmitglieder in Ausübung ihres Amtes nicht offen über so eine Sache diskutieren dürfen“, findet Best: „Alle Fraktionen hatten Einsicht in die Akten, die Empörung war echt.“ Und zwar einstimmig.

Und doch scheint es für Politiker ratsam, die eigenen Worte zu wägen, glaubt Uta von Loewenich, die Leiterin des städtischen Rechtsamtes. Das Recht, politische Vorgänge zu kommentieren, bedeute eben keine Narrenfreiheit: Im Prinzip ende die Freiheit, frisch von der Leber weg zu formulieren, „dort, wo sie für alle Bürger endet: beim Strafrecht“.

„Traumtänzer“ könnte durchgehen

Da mag der „Traumtänzer“ noch durchgehen, der „Lügner“ aber womöglich nicht, die Unverschämtheit wird durchgewinkt, die „Schweinerei“ sorgsam beäugt. Immerhin, die Erkenntnis, dass in der Politik auch gerne mal auf den Putz gehauen wird, um einer politischen Überzeugung argumentativen Schwung zu verleihen, hat sich durchgesetzt: „Natürlich wird immer wieder mal über die Stränge geschlagen“, sagt von Loewenich, „da scheint es ratsam, sich eine dickere Haut zuzulegen.“

Die Juristin kann sich denn auch an keinen Fall erinnern, wo ein Politiker wegen forscher Äußerungen vor dem Kadi landete. Ganz alte Semester wollen sich an einen Präzedenzfall erinnern, bei dem die Stadt später sogar die Rechtsanwalts-Kosten übernahm – weil der Politiker freigesprochen wurde.

Städtische Mitarbeiter müssen selber zahlen

Genauso geht es übrigens städtischen Mitarbeitern, von der Politesse bis zum Job-Center-Mitarbeiter, um mal städtische Arbeitsplätze mit Konflikt-Potenzial zu nehmen: Wer da aus der Haut fährt, muss selbst blechen. Da kann eine „Schweinerei“ sauteuer werden.

Die Linken im Rat dagegen können sich über Schmähungen wie den vermeintlichen Marihuana-Rausch nicht empören, sie machen sich eher darüber lustig: Das soll Bayer gesagt haben? fragen sie augenzwinkernd – „Mag sein, wir waren so breit, da war uns das egal.“

Stadt vs. Tüv Nord

Im Streit um den Ankauf eines Grundstücks zum Straßenbau in Frillendorf hat Planungsdezernent Hans-Jürgen Best die Position der Stadt noch einmal bekräftigt: „Mir ist das Vorgehen des Tüv Nord nicht verständlich.“ Die Stadt sei ausdrücklich bereit, für die von ihr zu erwerbenden 15.000 Quadratmeter alle Altlasten-Risiken und damit alle Kosten zu übernehmen, für den Tüv Nord allerdings nur im vorgeschriebenen Rahmen des Bodenschutzgesetzes.

Das scheint das Problem des Tüv Nord zu sein: Er hatte sich nach eigenem Bekunden gegenüber dem Alteigentümer „verpflichtet, diesen von sämtlichen Haftungen für Altlasten freizustellen“, räumt das Unternehmen ein. Dies könnte sich jetzt als großer Fehler erweisen. Den Vorwurf des Tüv, der Straßenbau schade ihm als Eigentümer mehr, als er nutze, weist Best zurück: Die Trassenführung sei damals auch Wunsch der DMT gewesen und für die Stadt hilfreich, weil sie neue Gewerbeareale erschloss: „Ein Gewinn für beide Seiten.“