Essen. Bergschäden sorgen seit Wochen für massive Behinderungen bei der Bahn im Ruhrgebiet. Hohlräume unter den Gleisen am Essener Hauptbahnhof rufen in Erinnerung: Die Vergangenheit des Ruhrgebiets birgt teure Altlasten. Unternehmen bereiten sich mit Milliardensummen darauf vor.

Der jahrhundertelange Abbau von Kohle hat das Ruhrgebiet ausgehöhlt wie einen Schweizer Käse. Bahnreisende werden seit Wochen daran erinnert, im Zugverkehr kommt es zu Verspätungen und Ausfällen. Nun soll verhindert werden, dass Schlimmeres passiert.

Als Experten in Essen mehr Hohlräume als gedacht in weniger als 16 Metern Tiefe fanden, beschlossen sie, genauer hinzusehen. Je tiefer gebohrt wurde, desto mehr unterirdische ausgehöhlte Kohleflöze, die in keiner Karte verzeichnet waren, wurden erkennbar. Inzwischen sind die meisten Löcher mit Beton verfüllt. Doch für viele Züge gilt weiter Schritttempo, etliche Fernzüge werden umgeleitet - "als Vorsichtsmaßnahme", wie die Bezirksregierung betont.

Verantwortung für die Gefahren in der Tiefe tragen die Eigentümer oder Rechtsnachfolger der alten Bergwerke. Wo die nicht mehr ermittelt werden können, muss die Bezirksregierung einspringen - auch vorausschauend. Für Präventivmaßnahmen hat die Bezirksregierung 2011 und 2012 rund 3,1 Millionen Euro ausgegeben, um Schächte und Stollen einsturzsicher zu machen.

RAG reguliert jährlich 35.000 Bergschäden und hat dafür über vier Milliarden Euro zurückgestellt

Denn: Wo es hohl ist, da arbeitet der Berg. Wo vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten nah an der Oberfläche Kohle aus der Erde geholt wurde, kann sich die Erde auftun. Liegt der Bergbau in größerer Tiefe, kann sich die Erde senken.

Das Bergbauunternehmen RAG reguliert jährlich 35 000 solcher Schadensfälle, hat mehr als vier Milliarden Euro zurückgestellt um für Bergschäden aufzukommen. Teile des Ruhrgebiets liegen heute 15 bis 20 Meter tiefer als noch vor 200 Jahren. Damit sich diese Gebiete nicht in Seenlandschaften verwandeln, muss das Wasser aus den Gruben gepumpt werden: Bis in alle Ewigkeit.

Neben der bis 2018 im Steinkohle-Bergbau aktiven RAG mit ihren 4700 Altbergwerken sind im Ruhrgebiet vor allem die Stromversorger Eon und RWE die Erben ehemaliger Grubengesellschaften.

Eon hat für Bergbau-Folgen 280 Millionen Euro zurückgestellt, RWE 2,9 Milliarden Euro

Auch sie haben vorgesorgt für das, was da noch an gefährlichen Altlasten unter der Erde schlummert: Eon hat für Folgeschäden aus dem Alt-Bergbau 280 Millionen Euro zurückgestellt. Laut Bezirksregierung muss sich der Konzern um 5500 Schächte und Stollen kümmern. Die Grubenfelder seien aber vergleichsweise klein, so ein Eon-Sprecher.

RWE weist in seiner Bilanz 2,9 Milliarden Euro bergbaubedingte Rückstellungen aus. Wie viel davon für Folgekosten des Steinkohle- und des noch laufenden Braunkohleabbaus kalkuliert ist, legt der Konzern allerdings nicht offen. In RWE-Verantwortung liegen etwa 1900 Schächte aus alten Zeiten.

"Taucht irgendwo ein Tagesbruch auf, sorgen wir dafür, dass er beseitigt wird", sagt RWE-Sprecherin Julika Gang. Auch präventiv werde überprüft, ob es durch Bewegung in der Tiefe Veränderungen an der Tagesoberfläche gebe.

Verfüllarbeiten am Problemstollen in Essen werden voraussichtlich mehr als eine Million Euro kosten

Auch die umfangreichen Verfüllarbeiten am Essener Problemstollen, die voraussichtlich mehr als eine Million Euro kosten werden, sind bislang eine reine Vorsichtsmaßnahme geblieben. Wer diese Kosten übernehmen muss, sei noch offen, sagt Andreas Nörthen von der Bezirksregierung. Denn: Wem der Stollen gehört, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand so genau sagen.

Hundert Meter unter dem Uraltstollen liegt das Bergwerk Victoria Mathias, dessen Rechtsnachfolger der Energieversorger RWE ist. Ob der Stollen in Verbindung mit dem Bergwerk stand, werde zurzeit mit intensiver Archivarbeit geprüft, sagt Nörthen.

Dass der Stollen existiert, sei bekannt gewesen, sagt RWE-Sprecherin Gang. Dass dort so nah unter der Oberfläche Kohle in großem Stil abgebaut wurde, jedoch nicht: "Diese tagesnahen Abbruchzonen kannte ja keiner. Das Problem, was wir in Essen haben, ist genau der wilde Bergbau, über den wir keine Kenntnisse hatten." (dpa)