Essen. . Das Tempolimit für Züge am Essener Hauptbahnhof wird wohl mindestens bis Freitagabend gelten: Die Erkundungsbohrungen können erst am Freitagmorgen beginnen. Die Verfüllung der bekannten Hohlräume wurde verzögert: Die Silo-Züge mit dem Beton standen im Stau.
Der zweitägige Dauerstau auf der Bahnstrecke, die Umleitung der Fernzüge vorbei an Essen, der Verdruss zehntausender Pendler – „alles wegen dir“, musste sich Nicole Reinersmann am Donnerstag immer wieder vorwerfen lassen. Die Bahn fahrenden Freunde der Diplom-Geotechnikerin scherzten freilich. Schließlich waren es Reinersmann und Peter Hogrebe, Dezernent der Abteilung Bergbau NRW bei der Bezirksregierung Arnsberg, die am Mittwochabend mit der Deutschen Bahn entschieden, alle Züge westlich des Hauptbahnhofs nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren zu lassen. Seither arbeiten sie und die Männer der Firma Grundbau Essen am AEG-Haus im doppelten Wortsinne mit Hochdruck daran, die jüngst entdeckten Hohlräume unter der Bahntrasse – und die Gefahr durch diese – zu erkunden.
Seit Donnerstagabend ist klar: Das wird noch länger dauern, wahrscheinlich bis Freitagnachmittag. Gut möglich also, dass das Tempolimit für die Züge bis Freitagabend, oder Samstag gelten wird. Zumal erst nach den Erkundungsbohrugen klar sein wird, wie groß die Hohlräume unter den Gleisen sind, die verfüllt werden müssen.
Der bekannte Stollen unter dem AEG-Haus ist verfüllt
In aller Frühe ist Nicole Reinersmann auch am Freitagmorgen wieder mit der Arbeit rund um die neu entdeckten Hohlräume beschäftigt. Der aktuelle Stand zu diesem Zeitpunkt: Die ganze Nacht hindurch sei der bereits bekannte Stollen unter dem AEG-Haus verfüllt worden. "Die Bohrungen sind jetzt voll", sagt die Diplom-Geotechnikerin. Das Füllmaterial könne sich aber noch absetzen. Unterdessen starteten am Freitagmorgen die Erkundungsbohrungen auf der Nordseite des Gleisbereiches, von denen sich alle Beteiligten versprechen, mehr zu den unbekannten Hohlräumen zu erfahren. Erste Einzelheiten dazu wird es frühestens am Freitagmittag geben.
In Schrittgeschwindigkeit schleichen die Züge am Freitagmorgen Richtung Essener Hauptbahnhof. Die Pendler müssen wohl auch an diesem Tag noch starke Nerven haben. Ein Sprecher der Bahn sagte am Morgen: "Bis auf Weiters ist die Störung aktuell." Die gute Nachricht: Alle RE-Linien fahren wieder auf ihrer normalen Route, ihre Umleitungen wurden aufgehoben.
Zweiter Bohrer kam erst am Donnerstagabend in Essen an
Aber der Reihe nach:
Nach dem nun gestarteten Abriss des AEG-Hauses will Projektentwickler Kölbl Kruse an der Bert-Brecht-Straße die neue Zentrale der Bahnlogistik-Tochter DB Schenker errichten (wir berichteten). Zur Erschließung des Baufeldes untersuchte die Grundbau Essen GmbH, die sich auf die Erkundung von Gefahren durch Altbergbau spezialisiert hat, den Baugrund dort. Dabei stießen die Bohrer am Mittwoch in 16 Metern Tiefe nicht nur auf einen bekannten Stollen der Zeche Victoria unter dem alten Bürogebäude. „Zwischen Brecht-Straße und Bahntrasse wurden außerdem unbekannte Hohlräume aufgeschlossen“, erklärt Nicole Reinersmann. Dort buddelten wohl die ersten Kumpel ab 1840, möglicherweise bis hinüber zur Henriettenstraße. Ausgerechnet über das Flöz ihrer Begierde jedenfalls baute später die Bahn ihre Hauptverkehrsstrecke.
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Damit Hohlräume darunter und unter der Bert-Brecht-Straße nicht einstürzen und die Gleisanlage nicht absackt, muss die Problemzone mit Flüssigbeton verfüllt, zuvor aber erstmal lokalisiert werden. Ab Freitagmorgen treibt Grundbau dazu am AEG-Haus und nördlich der Trasse, auf dem Areal des Eisenbahnbundesamtes, Bohrer schräg in das Flöz. Der zweite Bohrer konnte nicht schneller nach Essen gebracht und aufgebaut werden.
Lkw mit Beton standen im Stau
Seit Donnerstagabend schon steuern die Baustelle am AEG-Haus im Drei-Stunden-Takt Silo-Züge mit jeweils 25 Tonnen Beton an: Dieser wird seit 19.30 Uhr erst – die Lkw standen im Stau – in den Stollen unter dem AEG-Haus und die bereits entdeckten Hohlräume unter der Straße gepumpt. Einsturzgefährdet, so Reinersmann, sei das AEG-Gebäude aber nie gewesen.
Ob das auch für die Anlagen der Bahn gilt, über die seit Jahrzehnten täglich hunderte Züge rollen, wird sich erst heute Nachmittag zeigen:Dass man mögliche Hohlräume unter den Gleisen nicht stabilsieren kann, schließt Reinersmann aber aus: „Verfüllen kann man alles.“
Wie lange das dauern wird? „Können wir seriös nicht schätzen“, wiegelt ihr Chef Hogrebe am Donnerstagabend ab. Seine Kollegin aus Essen-Stoppenberg wird wohl auch heute noch den ganzen Tag über für das Verkehrschaos gepiesackt werden.