Essen. Als Rechtsnachfolger des Altbergbaus obliegt den Energiekonzernen die Verantwortung für die Sanierung alter Bergbauschächte – ein Milliarden-Programm. Noch sind nicht alle Schächte identifiziert. Und auch auf das Land kommen hohe Kosten zu.

Ohne den Bergbau, so viel steht fest, hätte es das Ruhrgebiet nicht gegeben, die Industrialisierung – sie hätte anderswo stattgefunden. Auch der Wiederaufstieg der Bundesrepublik aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs hätte gewiss nicht so rasant stattgefunden. In den kommenden Jahren geht es aber in verschärftem Tempo an die Aufräumarbeiten der Bergbau-Hinterlassenschaft.

Und die sind so gigantisch, wie es ein jahrhundertelanger Bergbau vermuten lässt. Auf über 60 000 Tagesöffnungen – also Schächte, Lichtlöcher oder Stollen – schätzt die Bezirksregierung Arnsberg die Überbleibsel der Rohstoffgewinnung inklusive des Erzbergbaus in NRW. Nur die Hälfte davon ist bisher erfasst.

Die Zeit für die Sanierung drängt

Ein Großteil hat freilich etwas mit dem Steinkohlenbergbau zu tun. Knapp 14 000 Schächte und Stollen sind gefunden, die Verantwortlichen als Rechtsnachfolger identifiziert. Gleichwohl verbindet man im Revier auftretende Tagesbrüche oder die Sanierung von Schächten meist mit dem Steinkohleförderer RAG in Herne. Ein Trugschluss.

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Denn die Verantwortung der RAG fürs Bergbau-Erbe reicht nur zurück bis ins Gründungsjahr 1969. Die Verantwortung für Schächte und Tagesöffnungen aus den Jahren davor obliegt den Nachfolgegesellschaften des sogenannten Altbergbaus – und die heißen Eon, RWE, Thyssen-Krupp oder Littlefuse (ehemals Heinrich Industrie).

Die Zahl der alten Bergbauschächte im historischen Erbe der Energiekonzerne ist gewaltig. Die Bezirksregierung als Obere Bergbehörde beziffert die Eon-Schächte in NRW auf 5500, die von RWE auf 1900. Zum Vergleich: Die RAG zählt 4000. Thyssen-Krupp kommt auf 125. Ein großes Paket hat noch die Bezirksregierung mit 1800 Bergbauschächten selbst zu schultern, da mangels Rechtsnachfolger letztlich das Land NRW Verantwortung trägt.

Schächte müssen mit Beton verfüllt werden

Das Aufspüren, die Sicherung der Tageslöcher, letztlich die Sanierung von Schächten kostet Milliarden. Allein die RAG hat nach eigenen Angaben 500 Millionen Euro zurückgestellt, um die Aufarbeitung bezahlen zu können. Und die drängt, denn wenn Ende 2018 der Bergbau im Revier endgültig ausläuft, gibt es auch keinen Grund mehr, den Grundwasserspiegel mit Pumpen künstlich niedrig zu halten. Nach und nach steigt das Grundwasser an. Wenn dann tiefere Schächte nicht saniert, das heißt mit Beton verfüllt und gesichert sind, droht die Schachtsäule bis zur Oberfläche einzubrechen.

Zuweilen kommt es heute schon zu spektakulären Tagebrüchen wie Anfang 2012 auf der A 45 in der Nähe von Dortmund. Die Autobahn blieb wochenlang gesperrt, Dutzende Silozüge Beton mussten herangekarrt werden. „Wir haben da drei Millionen Euro reingekippt“, heißt es bei Straßen.NRW. Und die Verantwortung? Die obliegt eigentlich RWE als Rechtsnachfolger der Zeche Alte Haase.

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Eigentlich deshalb, weil eine Verzichtserklärung auf Schadenersatz vorliegt, womit die Kosten wohl beim Bund landen. Das aktive Sanieren der Schächte wird immer wichtiger. Die RAG sichert nach eigenen Angaben 30 Schächte im Jahr. RWE nennt keine Zahl. Das mache keinen Sinn, weil es große, Monate ­dauernde Sanierungsmaßnahmen gebe und eben kleinere. Auch bei Eon gab es dazu keine Auskunft.

RAG bewertet Schächte nach Risikopotenzial

Ende 2006 bescheinigte ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG dem Steinkohlekonzern, auf 2200 unentdeckten Schächten zu sitzen. „Die sind inzwischen alle erfasst, nach Risiken bewertet und werden nun entsprechend ihrer Priorität abgearbeitet“, sagt RAG-Direktor Peter Fischer.

Ebenso gehen RWE, Eon und die Bezirksregierung vor. Als Praxis-Beispiel für zügigen Handlungsbedarf nennt die Behörde einen Tiefbauschacht von 100 Metern in der Nähe einer Essener Schule. „Sollten wir solche Schächte entdecken, handeln wir natürlich schnell“, so die Bezirksregierung. Und sie sucht nach den Verantwortlichen. In Einzelfällen müsse auch schon mal der Altbergbau mit einer Ordnungsverfügung an sein historisches Erbe erinnert werden.