Essen. Das ehemalige AEG-Haus an der Kruppstraße in Essen wird zurzeit abgerissen. Das Gebäude aus den Fünfzigern stand auch für ein Stück Wirtschaftsgeschichte der Stadt. Ein letzter Blick ins Innere des Hauses.
Türen fliegen durch die Fenster, Schränke, Waschbecken. Im Innenhof an der Kruppstraße 4 bis 6 wachsen die Schutt- und Müllberge. Alles muss raus aus dem alten AEG-Haus. In wenigen Wochen kommt der Abbruchbagger und macht den Fünfziger-Jahre-Bau dem Erdboden gleich. Altes weicht Neuem. Der Projektentwickler Kölbl Kruse baut dort die neue Konzernzentrale der Bahnlogistik-Tochter DB Schenker.
Ein letzter Besuchstermin vor dem Abbruch: Wer die ehemalige Chefetage in dem Haus durch die messingbeschlagene Flügeltür betritt, merkt schnell: Hier hat sich seit dem Bau im Jahr 1952/53 nicht viel verändert. Die geschwungenen messingfarbenen Türklinken an den Bürotüren sind noch original. Im einstigen Besprechungsraum mit dunklem Stäbchenparkett zeugt die schwere, mit Leder und Messing-Nägeln gepolsterte Tür von den alten Zeiten, als AEG von hier aus Geschäfte im Ruhrgebiet machte. In der Vorbereitungsküche nebenan hängt ein alter Wasserboiler aus den 50ern vielleicht 60ern – natürlich Marke AEG und auch die Lichtschalter stammen noch aus dem Baujahr.
Staunen über die Aufzugstechnik
Im Mai 1953, als das Haus bezogen wurde, galt es natürlich als eines der modernsten Bürogebäude im Wiederaufbau begriffenen Nachkriegs-Essen. Die „Essener Woche“ schrieb damals: Es gibt in dem Haus „zwei neuartige Selbstbedienungsaufzüge, die jedem Knopfdruck gehorchen und das Fahrstuhlfahren zu einem Extravergnügen machen.“
Das AEG-Haus in Essen
Aus heutiger Sicht gehört das alte AEG-Haus sicher nicht zu den architektonisch wertvollen Bauten dieser Zeit. Aber es steht nicht zuletzt für ein Stück Essener Wirtschaftsgeschichte. Denn nach Krieg und Teilung Deutschlands konzentrierte sich die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ gen Westen. Arbeiteten vor dem Krieg in Essen nur rund 150 AEG-Mitarbeiter in einem Vertriebsbüro in der Beethovenstraße, entstanden nach 1945 mehrere Fabriken in der Stadt, in denen u.a. Turbinentechnik hergestellt wurde. Mitte der 50er Jahre zählte AEG in Essen schon 2000 Beschäftigte – allein 600 arbeiteten im neuen Verwaltungsgebäude an der Kruppstraße.
Die „Essener Woche“ beschrieb 1965, was AEG dort alles bündelte: Nämlich den Verkauf aller Erzeugnisse sämtlicher AEG-Fabriken – vom Waschvollautomaten bis zur Industrieausrüstung, vom Kühlschrank bis zu elektronischen Schaltsystemen, vom Bügelautomaten bis zu Kernkraftwerken.
Der Hausmeister zog als letzter aus
Aber nicht nur um Geschäfte ging es an der Kruppstraße. Im Keller finden sich die Überbleibsel eines großen Partykellers. Hoch her gegangen sei es, wenn die Monteure dort zu Beispiel ihre Weihnachtsfeier abgehalten haben, erinnert sich Harald Gille. Der 58-Jährige war selbst 28 Jahre bei AEG beschäftigt, arbeitete zuletzt als Hausmeister.
Gille wohnte in der 7. Etage und war der letzte, der das Gebäude 2009 verließ. Den Niedergang hat er miterlebt, als AEG pleite ging, als neue Mieter, unter anderem die CDU, Hochtief oder Radio Essen, ins Haus ein- und wieder auszogen. Der Glas-Schaukasten vor der einstigen Kantine in der 6. Etage verrät noch die letzten kulinarischen Angebote, die es hier gab: Schnitzel, Bockwurst, Mettwurst und Salatteller – frisch zubereitet auf Vorbestellung.