Essen. Im Zusammenhang mit den EBE-Ermittlungen muss sich auch der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß die Frage stellen, ob er das strenge Anti-Korruptionskonzept der Stadt genau beachtet hat. Alle Beteiligten haben sich auf schwieriges Terrain begeben und sich ohne Not angreifbar gemacht.
Nichts spricht gegen eine Tasse Kaffee, und auch einen Kugelschreiber als Werbegeschenk dürfen Mitarbeiter der Stadtverwaltung annehmen, ohne gleich befürchten zu müssen, sie könnten sich dadurch strafbar machen. „Geringwertige Aufmerksamkeiten“ mit einem Wert von bis zu 15 Euro sind ausdrücklich erlaubt. Nachzulesen ist das im „Anti-Korruptionskonzept“ der Stadt Essen, das alle Beschäftigten verpflichtet, sich penibel an die Vorgaben zu halten. Was aber, wenn es um mehr geht als um eine Tasse Kaffee?
Fußball-Tickets für den Büroleiter
Dass der lange Schatten der Affäre bei den Entsorgungsbetrieben Essen (EBE) bis ins Büro von Oberbürgermeister Reinhard Paß reichen würde, stand von dem Moment an fest, als der Name seines Büroleiters, Uwe Gummersbach, neben denen vieler anderer auf jener Liste auftauchte, die der private Mitgesellschafter Remondis als Empfänger von Geschenken brandmarkte und die als Beleg für den Vorwurf dienen soll, dass sie bei der EBE unter der Ägide des Geschäftsführers Klaus Kunze, freundlich formuliert, schon mal Fünfe gerade sein ließen. Detailliert führt Remondis auf, wer wie oft mit den Dauerkarten der EBE Spiele von Borussia Dortmund oder Schalke 04 besucht hat. Gummersbach war zwei Mal da, was er nicht bestreitet.
Hat der Büroleiter damit schon gegen das Anti-Korruptionsgesetz verstoßen? Die Annahme von Geld oder geldwerten Leistungen ist „stets verboten“, heißt es in dem Konzept, ausdrücklich werden darin auch Eintrittskarten genannt. Die Karten habe er aber guten Gewissens genommen, sagt Gummersbach dazu. „Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich damit anders umgegangen.“
Antikorruptionskonzept für „Zweifelsfälle“
Dass er die Tickets nutzen konnte, hatte der Büroleiter sich von OB Paß genehmigen lassen, wie es das Antikorruptionskonzept für „Zweifelsfälle“ verlangt. Der Oberbürgermeister hat das in einer Pressemitteilung nach Bekanntwerden der Remondis-Vorwurfe auch ausdrücklich bestätigt:„Die erforderliche Genehmigung habe ich jeweils schriftlich erteilt.“
Alles in Butter also? In besagter Selbstverpflichtung zur Korruptionsverhütung steht aber auch folgender Satz: „Vorgesetzte, die eine rechtswidrige Tat ihrer Mitarbeiter erlauben (...) machen sich ebenfalls strafbar.“ Hat der OB die eigenen Anti-Korruptionsvorgaben missachtet?
Damit konfrontiert, verweist Stadtsprecherin Nicole Mause darauf, dass Beamte Zuwendungen in Ausnahmefällen und mit Zustimmung des Vorgesetzten sehr wohl annehmen dürfen. Folgendes ist dabei nicht zu vernachlässigen: Auch bei Dritten darf erst gar nicht der Eindruck entstehen, der Beglückte könnte befangen oder gar bestechlich sein.
Festzuhalten bleibt: Alle Beteiligten haben sich auf schwieriges Terrain begeben und sich ohne Not angreifbar gemacht.