Essen. . Nach anfänglichem Zögern schaltet sich der Oberbürgermeister jetzt auch inhaltlich in die Debatte um womöglich anrüchiges Geschäftsgebaren bei den Entsorgungsbetrieben ein – und ruft zur Mäßigung auf.

Drei Tage hat Reinhard Paß sich die öffentliche Debatte um die Entsorgungsbetriebe und ihren Geschäftsführer Klaus Kunze angeschaut.

Drei Tage Zeit, ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sich da ein echter Skandal um die halb städtische Entsorgungs-Tochter zusammenbraut oder die geharnischten Vorwürfe aus Reihen des privaten EBE-Partners Remondis nach kurzer Erregung abflauen. Noch am Mittwoch beließ es der Oberbürgermeister, der zugleich dem Aufsichtsrat der EBE vorsteht, bei einer ausgesprochen knappen Erklärung, verwies auf die von ihm einberufene Sondersitzung der Gremien am kommenden Freitag. Und darauf, dass dann „ohne Zeitverzug“ alle Vorwürfe neutral zu prüfen seien. Also: Abwarten und Füße still halten.

Doch der Spott über politische „Landschaftspflege“ per Konzert- und Fußball-Tickets, die Forderungen nach personellen Konsequenzen und die mehr und mehr aufkeimende Frage, welchen Anteil wohl der OB selbst als Chef-Aufseher der Entsorgungsbetriebe am womöglich anrüchigen Geschäftsgebaren trägt – sie sorgten gestern für einen kommunikativen Kurswechsel.

„Schwer wiegende Vorwürfe“

In einer ausführlichen Erklärung appellierte Reinhard Paß dabei an alle Beteiligten, die „schweren Vorwürfe“ gegen das Unternehmen und seinen Chef nicht mit Spekulationen, Mutmaßungen und argwöhnischen Kommentaren anzuheizen: „Die Aufklärung der in Rede stehenden Vorgänge erfordert ein hohes Maß an Verantwortung“, so Paß. Schließlich seien hiervon der Ruf eines langjährigen Mitarbeiters der städtischen Betriebe, die Reputation der Entsorgungsbetriebe „und nicht zuletzt auch das Renommee der Stadt Essen selbst berührt“.

Der OB mag dabei nicht bagatellisieren: Von „kleinkrämerischen“ Vorwürfen, wie sie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erkannt haben will, spricht Paß gerade nicht, sieht vielmehr „schwer wiegende Vorwürfe“. Diese aber müssten geprüft und rechtlich bewertet werden – bis dahin gelte die Unschuldsvermutung für EBE-Chef Klaus Kunze: „Vor allem politische Vertreter dieser Stadt“ würden diesen Grundsatz nicht beherzigen, das sei ihrer Stellung „unwürdig“: „Wer so handelt, mag darin eine Möglichkeit zur persönlichen Profilierung sehen. Er tut dies aber im Ergebnis zu Lasten des Rufs der Stadt Essen“, klagt Paß in seiner Stellungnahme.

Und macht zugleich deutlich: „Sollte sich im Ergebnis der nun angestrebten Prüfungen erweisen, dass die in Rede stehenden Vorwürfe stichhaltig belegt und somit bewiesen werden können (...), werde ich es dabei an der notwendigen Konsequenz und ggf. auch Härte nicht mangeln lassen.“ Dabei, so der OB, wolle er seinen Teil der Verantwortung nicht außer Acht lassen.

So gab es vom Oberbürgermeister gestern zwar keinen Satz zum Beratervertrag der Entsorgungsbetriebe mit dem SPD-Ratsherrn Harald Hoppensack, allerdings bestätigte Paß, dass er es war, der im Juni 2010 in seiner Funktion als Aufsichtsratschef Auto und Handy für Geschäftsführer Kunze nach Ablauf seiner EBE-Tätigkeit in Aussicht stellte. Diese Zusage sei allerdings an die Kostenerstattung durch Kunze geknüpft gewesen – dieser habe nur von Einkaufsvorteilen des Unternehmens profitieren wollen. Remondis hatte bemängelt, dass dennoch ein Kostenrisiko bei der EBE verbleibe – und dass die Zusatzvereinbarung „an der Gesellschafterversammlung und am Aufsichtsrat vorbei“ erfolgt sei. Fakt ist: Ins Gremium schaffte es die Absprache nie, Kunze verzichtete später.

Zur vermeintlich rechtswidrigen Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern der Entsorgungsbetriebe äußerte sich der OB gestern genauso wenig wie zur Verteilung von Konzert- und Fußball-Tickets im Unternehmen. Einzig, dass sein Büroleiter bei zwei Spielen von den Eintrittskarten profitierte, war dem Stadtoberhaupt eine umständliche Erklärung wert (siehe Infobox).

Und nun?

„Auf dem Wege der Aufklärung“

„Wir befinden uns auf dem Wege der Aufklärung“, ließ der OB gestern wissen, und das „mit großer Ernsthaftigkeit“. Er wünsche sich, dass alle Beteiligten sich „an Recht und Ordnung orientieren mögen“. Die Linken haben den Fall für die Aktuelle Stunde der Ratssitzung am Mittwoch angemeldet. Dort lässt sich das womöglich besichtigen.

Ganz schön kompliziert...

O-Ton OB Paß: „Zur Inanspruchnahme von Fußballkarten durch meinen Büroleiter Uwe Gummersbach stelle ich fest, dass Herr Gummersbach jeweils unmittelbar vor den Spielen bei der EBE GmbH anfragte, ob die betreffenden Karten auf dem Kontingent der Dauerkarten, die die EBE hat, noch nicht vergeben worden sind und diese ansonsten ungenutzt verfallen würden.

Seitens der EBE wurde dann bestätigt, dass die Karten noch vorhanden sind und mit einer Inanspruchnahme der Karten im Zusammenhang mit Kundenmaßnahmen etc. kurzfristig nicht mehr zu rechnen sei.

Herr Gummersbach hat daraufhin mich als seinen Vorgesetzten entsprechend der beamtenrechtlichen Vorschriften des Antikorruptionskonzeptes der Stadt Essen darüber informiert, dass er das jeweilige Fußballspiel privat besuchen wolle und um eine entsprechende Genehmigung zur Inanspruchnahme der ansonsten verfallenden Karten aus dem Kontingent der EBE GmbH gebeten.

Die erforderliche Genehmigung habe ich jeweils schriftlich erteilt.“