Essen. Auf der Suche nach Standorten für Flüchtlings-Unterkünfte will die Stadt Essen die Stadtteile möglichst gleich belasten: „Wir suchen die soziale Balance“, heißt es aus der Sozialverwaltung. Doch eine Statistik zeigt: Vor allem der Osten wird belastet, der Süden bislang eher geschont.

Der Druck in Sachen Asyl steigt – und mit ihm die Erkenntnis, dass die Stadt erst am Beginn einer neuen großen Unterbringungsdebatte steht. Kaum ist die ehemalige Dilldorfschule in Kupferdreh mit 80 Flüchtlingen belegt, kaum hat man begonnen, die einstige Walter-Pleitgen-Schule zur kurzfristigen Behelfsunterkunft aufzumöbeln, steht jetzt fest: Nicht erst auf mittlere Sicht, nein, noch in diesem Winter, voraussichtlich bis Januar wird es den Bedarf für einen weitere Asyl-Behelfsunterkunft geben.

Und angesichts der spürbar nach oben korrigierten Flüchtlingszahlen für den Winter 2014/15 sickert durch, dass die beiden Behelfsunterkünfte in Kupferdreh und Frintrop durchaus zum dauerhaften Asyl-Standort werden könnten.

Bürger sind skeptisch

Die Sozialverwaltung nimmt eben, was sie an Immobilien kriegen kann – und muss dennoch zusehen, dass sie keine Schieflage produziert: „Wir suchen weiter nach der sozialen Balance“, formulierte es Sozialdezernent Peter Renzel dieser Tage, wobei er auf Skepsis bei nicht wenigen Bürgern stieß.

Und diese Skepsis kommt offenbar nicht von ungefähr, wie ein Blick auf eine von der Sozialverwaltung selbst vorgelegte Übersicht zeigt. Danach ballen sich die Unterkunfts-Standorte vor allem im Osten der Stadt, wo inzwischen sieben der 13 Heime stehen, darunter die beiden mit den meisten Bewohnern.

Viele Flüchtlinge wohnen außerhalb der Notunterkünfte

Allerdings verengt der Blick allein auf die Standorte der Asyl-Heime die Debatte, denn viele Flüchtlinge wohnen bereits außerhalb der Notunterkünfte in Wohnungen. Einmal im Jahr wird die Statistik aufgemacht, die letzte stammt deshalb von Ende Dezember 2012. Damals lebten 2.399 Personen in Essen „ohne einen gesicherten Aufenthaltsstatus“, was etwa auch die formell nur „geduldeten“ libanesischen Staatsbürger einschließt.

Und siehe da: Auch ohne ein einziges Asylheim kommen die Stadtbezirke I (Stadtmitte, Frillendorf und Huttrop) und V (Altenessen, Karnap und Vogelheim) auf stattliche Quoten.

Ebenso auffällig: Die Stadtbezirke II (Rüttenscheid, Bergerhausen, Rellinghausen und Stadtwald) sowie IX (Werden, Kettwig und Bredeney) bleiben mit 3 und 3,9 Prozent und großem Abstand am unteren Ende der Skala. Manche Bürger – auch jüngst bei „Essen kontrovers“ – bringt das zu der Annahme, diese Verteilung der Lasten sei nicht dem Zufall geschuldet, sondern politische Absicht.

Belegung der Unterkünfte im Jahresverlauf schwankt

Es macht die Sache nicht einfacher, dass die Belegung der Unterkünfte im Jahresverlauf schwankt. So stammten von den zum Stichtag 31. August in den Asylbewerberunterkünften lebenden 703 Bewohnern 308 aus Serbien und 96 aus Mazedonien – größtenteils Roma, die nach dem Winter wieder in ihre Heimat zurückgehen, wobei allerdings die Verweildauer von Jahr zu Jahr offenbar länger ausfällt.

Erst mit deutlichem Abstand folgen dann Flüchtlinge aus Syrien (41), Bosnien-Herzegowina (33), Ägypten (28), dem Kosovo (17), Irak (16) und 27 weiteren Staaten.

Den Menschen zu helfen, aber keine „Problem-Stadtteile“ entstehen zu lassen, ist der Spagat der Standortfindung. Renzel kann die Ängste der Bürger verstehen und warnt vor vorschneller Kritik: „Nicht jeder, der seine Sorgen äußert, ist sofort rechtsextrem.“