Essen. Nach den jüngsten Flüchtlings-Zahlen rechnet die Stadt Essen für den Winter 2014/15 mit bis zu 400 Asylsuchenden mehr als bisher angenommen. Sozialdezernent Peter Renzel schätzt die Gesamtzahl nun auf 1.500 bis 1.600 Personen. Drei oder vier Heim-Standorte seien zusätzlich nötig. Keiner soll mehr vorschnell aufgegeben werden.

Eine Welt in Aufruhr schert sich nicht um Kalkulationen aus dem Rathaus: Erst vor drei Wochen hatte die Sozialverwaltung der Politik vorgerechnet, dass Essen im Winter 2014/15 stadtweit rund 1.200 Flüchtlinge in Notunterkünften unterbringen muss.

Jetzt ist der Oktober noch nicht einmal vorbei, und doch muss diese Zahl für Essen bereits deutlich nach oben korrigiert werden: Angesichts des aktuellen Zustroms sei, so sagte Sozialdezernent Peter Renzel am Dienstagabend bei der Diskussionsveranstaltung „Essen kontrovers“, zum Ende des kommenden Jahres mit rund 1.500 bis 1.600 Asylsuchenden zu rechnen.

Dies hat zur Folge, dass entsprechend mehr Asylheime bereitgestellt werden müssen, vermutlich drei bis vier zu den bereits ins Auge gefassten zweien, denn im Schnitt kalkuliert die Stadt mit 100 bis maximal 150 Flüchtlingen pro Standort.

Heimstatt für 80 Flüchtlinge aus Ägypten und Serbien

Zuletzt wurde die alte Dilldorfschule in Kupferdreh übergangsweise zur Heimstatt für 80 Flüchtlinge aus Ägypten und Serbien, Syrien und Mazedonien. Der Standort ist damit voll belegt. Weitere 100 Flüchtlinge werden voraussichtlich in zwei Wochen in der aufgegebenen Walter-Pleitgen-Schule in Frintrop untergebracht. Die Baugenehmigung lässt zwar bis zu 135 Personen zu, doch will die Stadt mit Betreuungsräumen für Groß und Klein den Alltag gestalten.

Parallel dazu ist die Sozialverwaltung dabei, bebaute und unbebaute Immobilien in allen 50 Stadtteilen auf ihre Verwendung als Unterkunfts-Standort zu prüfen. Schon bei der von Volkshochschule und NRZ veranstalteten „Kontrovers“-Debatte zeigte sich am Dienstag, dass dabei ein besonderes Augenmerk auf die Frage gelegt wird, ob die Unterbringung der Flüchtlinge „sozial gerecht“ erfolgt.

130 Zuhörer in der VHS

Nach wie vor gibt es in Frintrop, aber auch andernorts Ängste und Befürchtungen, die Stadtteile könnten in ihrer Sozialstruktur „kippen“, wenn man eine Vielzahl von Flüchtlingen dauerhaft dort unterbringt. Sozialdezernent Renzel begegnete diesen Sorgen gestern mit den guten Erfahrungen der in Dilldorf bereits eingeführten und in Frintrop geplanten Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Einrichtung.

Und er wiederholte die Erkenntnis aus der Flüchtlingsarbeit, dass Asylheime nirgends übermäßig beliebt seien: „Aus keinem Stadtteil rufen die Leute an und sagen: Baut das lieber bei uns.“ Kein Wunder, dass man in der Sozialverwaltung mittlerweile offenbar bereut, in der Vergangenheit sämtliche alten Asyl-Standorte aufgegeben zu haben: „Ich werde der Politik nicht mehr vorschlagen, funktionierende Einrichtungen zu schließen und dem Erdboden gleich zu machen“, so Renzel vor rund 130 Zuhörern in der VHS. Jetzt aber muss er erst einmal neue Standorte finden. Welche ausgeguckt werden, soll der Rat, wenn möglich, noch Ende November beschließen.