Essen. Als das Ruhrgebiet noch kein Industriegebiet war: Das Ruhr Museum zeigt ausgewählte Objekte aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Die Fund- und Prunkstücke vom Kettenhemd bis zur Kaminvase schlummerten bislang in den Depots.
Für manche ist das Ruhrgebiet heute vor allem flöztief verankert in der Geschichte von Kohle und Stahl. Die anderen fühlen sich historisch beheimatet in den Kathedralen der Arbeit, wo heute vor allem Erinnerung produziert wird. Erinnerung an eine Geschichte, die für viele erst mit der Industrialisierung beginnt – und doch weit früher anfängt.
Die neue Ausstellung „Ausgewählt. Vormoderne im Ruhr Museum“ ist deshalb weit mehr als ein „Best of“ der bislang noch nie oder selten gezeigten Depot-Schätze, die Magdalena Drexl und Reinhild Stephan-Maaser in den vergangenen vier Jahren gesichtet, bewertet, teilweise erstmals erforscht und oft auch restauriert haben. Es ist auch eine Neugier weckende Begegnung mit der Heimatgeschichte zwischen dem 5. und 18. Jahrhundert, ein Entdecken unerwarteter Sammlungs-Reichtümer, aber auch enormer Verluste.
Rund 90 Prozent der städtischen Vormoderne-Sammlung, deren Grundstein bereits 1904 gelegt und deren Exponate während des Zweiten Weltkriegs im Haus „Heimat“ an der Lindenallee beheimatet waren, wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Um die gewaltigen Lücken zu schließen, erzählt Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums, wurden ab 1960 etliche vergleichbare Artefakte angekauft.
Vieles davon ist zwar exemplarisch für die Zeit, aber nicht unbedingt „made in Essen“. Der niederländische Handwaschkessel oder die nordwestdeutsche Brauttruhe verweisen aber auch auf die enge Anbindung an die damalige Rheinschiene. Das „Ruhrgebiet“ war da noch nicht erfunden.
Kettenhemd und Taufbecken
So ist diese kompakt arrangierte und komprimierte Galerieausstellung auch eine bewusste Auseinandersetzung mit der heterogenen, aus vielen Einzelteilen bestehenden Sammlung. Sie lässt Angaben offen, wo zur exakten Herkunft wertvoller Exponate wie dem Taufbecken aus dem 17. Jahrhundert nichts zu sagen ist. Sie liefert aber auch zahlreiche Belege über die Bedeutung von Stadt und Stift Essen, hat mit dem wiederentdeckten Siegelstempel des Essener Gräfinnenkapitels (2. Hälfte 17. Jh) sogar eine Numismatik-Überraschung zu bieten und lässt nebenbei schmunzeln über Begriffe, deren ursprüngliche Bedeutung uns heute völlig fremd geworden ist: Der „Gassenhauer“ beispielsweise war, wie in der Ausstellung zu sehen, eine sehr effektive Waffe, um eine Gasse fürs nachfolgende Heer freizuschlagen.
In zwölf Kapiteln werden die 300 Exponate von der Bettwärmepfanne bis zum Kettenhemd, vom Wachsrelief des Ehepaars Baedeker bis zum Marientaler der Essener Äbtissin präsentiert. Fund- und Prunkstücke aus etlichen Jahrhunderten Heimat- und Weltgeschichte.
Die Ausstellung ist vom 14. Oktober bis zum 27. April 2014 zu sehen. Mo bis So 10-18 Uhr, Eintritt 3 erm. 2) Euro.