Essen-Rüttenscheid. . 2002 zog Familie Diehl in den prägenden Jugendstil-Bau an der Renatastraße. Damals wusste sie noch nicht, dass dort auch der bekannte Revier-Fotograf Willy van Heekern aufwuchs.

Das blaue, straßenprägende Haus mit dem hübschen Türmchen erzählt nicht nur Geschichte, es zeigt sie auch: Als Familie Diehl 2002 an die Renatastraße zog, war ihr nicht bewusst, wer ihre namhaften Vorbesitzer waren. Willy van Heekern wuchs dort auf – jener Fotograf, der wie kein Zweiter die Kriegsjahre und den Wiederaufbau in der Stadt dokumentierte. Von den Zerstörungen nach den Bombennächten über die Demontage bei Krupp bis hin zu Konrad Adenauer bei seinem letzten Besuch in Essen. Kurzum: Der 1989 verstorbene van Heekern galt als der Lokalreporter im Revier.

Liebe auf den ersten Blick

Die van Heekerns in ihrem Esszimmer, um 1930. Auch die Diehls speisen heute dort.
Die van Heekerns in ihrem Esszimmer, um 1930. Auch die Diehls speisen heute dort. © Ruhrmuseum

„Nach dem Einzug gab uns eine Nachbarin einen Umschlag mit unzähligen Bildern der van Heekerns“, erzählt Rolf Diehl, Neuropsychologe am Krupp-Krankenhaus. Sie zeigen die Familie beim gemeinsamen Abendessen, drei Jungs in ihren Schrankbetten und nicht zuletzt die damals zerstörte Renatastraße. Entsprechend sieht sich Rolf Diehl (53) gemeinsam mit Ehefrau Anke (45) und den beiden Töchtern Carlotta (11) und Mariele (13) ein Stück weit in der Pflicht, das Haus in seiner historischen Substanz, der selbst die Bombennächte nicht allzu viel anhaben konnten, in weiten Teilen zu erhalten.

„Als ich 2002 per Fax die Original-Grundrisse des Hauses aus dem Jahr 1907 erhielt, habe ich Rolf sofort losgeschickt, das Haus anzusehen. Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Anke Diehl. Bis heute sind die alten Holztüren, die geschwungene Treppe, weite Teile des Dielenbodens und sogar das Holz-Ständewerk erhalten, das die Familie im Erdgeschoss frei legte.

„In diesem Haus fühlt man sich frei“

Renatastraße 1944: Das Haus der Diehls (mit Balkon) blieb fast unbeschädigt.
Renatastraße 1944: Das Haus der Diehls (mit Balkon) blieb fast unbeschädigt.

„Wir nutzen das Haus von der Raumaufteilung bis heute so wie damals die Familie van Heekern. Wo früher die Hausmädchen untergebracht waren, habe heute unsere Töchter ihr Reich“, sagt Anke Diehl. Dort fügt sich die Harfe von Mariele perfekt ins Turmzimmer, in dem auch die zwei Meerschweinchen der Mädchen vergnügt um die Wette quieken. „Es ist spannend, in einem so alten Haus zu wohnen und natürlich echt schön“, sagt die 13-Jährige. Auch das Esszimmer ist bis heute genau an der Stelle, an der schon den Vorbesitzern aufgetischt wurde, wie historische Bilder belegen.

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Anke Diehl, ebenfalls Ärztin, hat es sich zum Hobby gemacht, auf Antikmärkten nach historischen Einrichtungsgegenständen zu stöbern: Eine alte Standuhr im Wohnzimmer, in die Jahre gekommene Anrichten mit verspielten Schnitzereien und bemalte Fliesen machen das 21. Jahrhundert an einigen Stellen im Haus fast vergessen. Viel wichtiger für Rolf Diehl, der in einem typisch zweckmäßigen Nachkriegsbau in Köln aufwuchs, sind die hohen Decken des Jugendstil-Baus: „In diesem Haus fühlt man sich frei.“ Vielleicht einer der Gründe, warum so viele Mitglieder der Familie van Heekern Bildhauer, Künstler und eben Fotografen wurden.

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