Essen. Die Theologin Magdalena Bussmann und ihr Mann, der Theologieprofessor Heinz Missalla haben sich über Jahrzehnte an der römischen Kirche gerieben. Nun hoffen sie auf einen Wandel im Vatikan und loben Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck dafür, dass er Zeichen setzt.

Fast ihr ganzes Leben haben sie sich an der hartleibigen römischen Kirche gerieben. „Alt und grau sind wir darüber geworden“, sagen die Essener Reformtheologen Dr. Magdalena Bussmann (67) und ihr Mann, der renommierte Theologieprofessor Heinz Missalla (87). Resignation und Verbitterung sind ihre Sache dennoch nicht. Denn dieselben, die über Jahrzehnte die starre Haltung des Kirchen-Establishments an den Pranger stellten, sehen unter Papst Franziskus nun hoffnungsvolle Zeichen des Aufbruchs. Auch im Ruhrbistum, wo sich Bischof Franz-Josef Overbeck für geschiedene Wiederverheiratete stark macht, keime Hoffnung. Sie zitieren einen seiner markantesten Sätze: „Die Kommunionbank darf keine Richtbank sein.“

„Der Bischof versucht, verlorenes Terrain zurückzugewinnen“, anerkennt Magdalena Bussmann, der sie Mitte der achtziger Jahre die Lehrerlaubnis entzogen, weil sie sich in der Männerwelt Kirche für eine feministische Theologie und die Abschaffung des Zölibats engagierte sowie Oppositionsbewegungen wie „Kirche von unten“ und „Wir sind Kirche“ mitbegründete.

Mit Heinz Missalla, dem Kirchengelehrten, der einst den „Bensberger Kreis“, „Pax Christi“ und 1968 den „Essener Kreis“ mitbegründete, ist sie seit 1996 verheiratet: aus kirchlicher Sicht eine schwere Sünde. Denn als geweihtem Priester ist es ihm strengstens untersagt, eine Frau zu lieben und zu heiraten. Die Folge: Auch ihm entzogen sie die Lehrerlaubnis.

Die Kirche hat die Macht über die Menschen längst verloren

Gespannt verfolgen die im Südviertel lebenden Reformtheologen nun, wie sich die Kirche unter Franziskus Schritt für Schritt auf die Gläubigen zubewegt und dabei für mehr Großzügigkeit und Barmherzigkeit wirbt. Für Magdalena Bussmann eine längst überfällige Notwendigkeit. „Denn auch im Ruhrbistum hat die Kirche die Macht über die Köpfe und Herzen der Menschen längst verloren.“

Mäntelchen des Schweigens

In der Kirche, die Magdalena Bussmann und Heinz Missalla vorschweben, sollen Priester heiraten und Frauen die Eucharistie feiern dürfen. Ziele, die der kritische „Essener Kreis“ schon vor über 40 Jahren ausrief. Und damit gefährlich aneckte. „Darüber, wie die Kirche Reformgruppen diffamiert hat, könnte ich einen Roman schreiben“, bilanziert Heinz Missalla. Die ernüchternde Gegenwart: Kritische Priester litten auch heute noch unter hohem Anpassungsdruck. „Sie haben Angst, Farbe zu bekennen.“ Etwa in der heiklen Frage des Zölibats. Den Oberen sei sehr wohl bekannt, wenn ein Priester mit einer Frau zusammenlebt. „Aber solange ihn niemand anzeigt, wird das Mäntelchen des Schweigens darüber gelegt.“ Im Gegenzug werde von „sündigen“ Priestern Gehorsam erwartet. Bussmann: „Dabei ist den Menschen egal, ob ein Priester verheiratet ist, sie wollen gute Seelsorger.“

Ihre Diagnose des Patienten Kirche fällt erschütternd aus: leere Gottesdienste und Frauen, die der Kirche resigniert den Rücken gekehrt haben, enttäuschte Arbeiter und vergraulte Laien. Und dann die „weltfremde“ Sexualmoral, die die Pille und Kondome ebenso verbiete wie die Ehe ohne Trauschein, vorehelichen Geschlechtsverkehr und die gleichgeschlechtliche Liebe. Magdalena Bussmann verschlug’s einst die Sprache, als der junge Ruhrbischof bei „Anne Will“ Homosexualität als Sünde geißelte — und übers Bistum hinaus einen Sturm der Entrüstung entfachte. In Bussmanns Prophezeiung ist das Klingeln des Totenglöckchens unüberhörbar, wenn sie sagt: „Kirche und Bistum drohen auszubluten, wenn nicht gegengesteuert wird. Für den Bischof und das Bistum geht’s um alles oder nichts“