Essen. Ein echter Knochenjob, den sich die beiden Essener Petrus Ermagan und Hendrik Thiemann da ausgesucht haben. Aber nur im wörtlichen Sinne, denn die Fleischer-Azubis müssen weder Tiere töten, noch Blut sehen – meistens jedenfalls. Dafür beginnt der Arbeitstag gerne mal mit dem Schälen von 10 Kilogramm Zwiebeln.
Da werden die Messer gewetzt, bis das Blut nur so spritzt und die Fleischfetzen fliegen. In den wildesten Fleischer-Fantasien vielleicht. Mit der Realität dieses Lehr-Berufs hat das allerdings wenig bis gar nichts zu tun. Denn zumindest in der Metzgerei Gronau lernen die Auszubildenden nicht nur, wie man Rind, Schwein und Kalb zerlegt und verarbeitet, sondern vor allem, dass solch ein Betrieb heutzutage auch den Kartoffelsalat zur Bockwurst liefert – und zwar selbst gemacht.
„Betteln und Hausieren sowie das Einwerfen von Werbematerial ist verboten“ steht auf dem kleinen Messingschild neben dem Eingang an der Busehofstraße 22 in Frohnhausen. Von außen lässt das gepflegte, weiß gekachelte Wohnhaus nicht unbedingt auf das schließen, was in den Kellerräumen auf mehreren Hundert Quadratmetern produziert wird. Wer aber weiß, dass hier täglich kiloweise Köstlichkeiten aus Rind, Schwein und Geflügel hergestellt werden, versteht vermutlich schon eher, warum hier das (Würstchen-)Betteln verboten wird.
Hauptsache keimfrei
Und wenn Petrus Ermagan und Hendrik Thiemann morgens um kurz vor sechs das Haus betreten, sieht man ihnen auch (noch) nicht an, was sie so machen. Die Berufsbekleidung wird nämlich erst drinnen angelegt, unten in der Umkleide-Kabine. Raus aus der Alltagskleidung, rein ins Metzger-Outfit: Frischer weißer Kittel, Baumwollhose und abwaschbare Arbeitsschuhe sind Pflicht.
„Jeden Tag frische Arbeitskleidung muss sein“, sagt Chef Peter Vogel, „ hier soll ja alles keimfrei bleiben.“ Alles, das meint in dem Fall jede Menge rohes Fleisch, aber auch Gemüse und andere Lebensmittel, denn hier werden täglich rund 300 Gerichte für die zwei Filialen der Metzgerei Gronau gekocht – von der Mettwurst bis zum Möhreneintopf.
Erfolgserlebnis beim Wurstmachen
Da kann es durchaus sein, dass Thiemann die ersten paar Stunden am Tag Zwiebeln schält, „und mit zehn Kilo kommen wir nicht aus“, weiß der 18-Jährige. Die Tränen versucht er sich zu verkneifen, auch wenn der Azubi viel lieber Hand ans Fleisch legt, denn „das ist mein Gemüse.“ Thiemann ist im dritten Lehrjahr, sein Vater hat selbst einen Metzgerbetrieb, den er irgendwann übernehmen will. In Theorie und Praxis ist er so gut, dass er die Ausbildung verkürzen darf. Metzgermeister und Ausbilder Peter Vogel nennt Hendrik Thiemann „eine absolute Ausnahme“, einer unter Hundert heutzutage. Nachwuchsprobleme habe er ohnehin immer, und „aus Berufung machen es die wenigsten, für die meisten ist Fleischer nur ein Beruf“, beklagt Vogel.
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Oder es sind Quereinsteiger wie Petrus Ermagan, der als christlicher Türke auch Schwein haben „darf“. Seine Schwester machte die Ausbildung zur „Fleischfachverkäuferin“ in der Gronau-Filiale an der Rü und brachte den 19-Jährigen quasi hierher. Und mittlerweile hat der Azubi im zweiten Lehrjahr mindestens so viel Spaß wie Kollege Thiemann – vor allem wenn’s um die Wurst geht, wovon pro Woche rund drei Tonnen hergestellt werden. Egal ob Tee- Mett- oder Fleischwurst „nur da hat man gleich das Erfolgserlebnis beim Probieren“, erklärt Thiemann.
Ein bisschen Horror-Flair bleibt
Blut fließt hier übrigens nur bei der Blutwurst-Produktion, für die höchstens drei Prozent benötigt werden. Das Schlachten erledigt der Landwirt, der die Metzgerei täglich beliefert. Die Herkunft der Ware ließe sich bis zur Geburt und Aufzucht der Rinder, Schweine und Hühner genau überprüfen, „wir kennen die Tiere ziemlich gut“, sagt Vogel. Die Liebe zu denen sollte aber nicht allzu groß sein, denn „mit dem Ende der Tiere beginnt unser Job“, so Metzgermeister Vogel.
Und spätestens bei der Zwischenprüfung müssen die Jungs genau wissen, wie man so ein halbes Schwein zerlegt: Zuerst müssen die Rippen entlang der Kotelettbereiche zersägt und die Haxen vom Rumpf abgetrennt werden, dann geht die Handarbeit mit dem Messer weiter: Schinken auslösen, Filet von Fett und Blutgefäßen trennen, Knochen putzen. Der Kettenhandschuh ist Pflicht. Ganz ohne Horror-Flair geht es dann doch nicht.