Essen. . Die NRZ-Serie „Wer wird schon ...?“ stellt Azubis in unbeliebten und/oder seltenen Jobs vor. TEIL 1: „..Bestatterin“: Vom Aussterben bedroht? Diana Ackermann (32)ist Auszubildende zur „Bestattungsfachkraft“. Ihre erste Leiche ist aber schon Jahre her...

Weißer, feiner Sand ziert das große Schaufenster in einer der Seitenstraße neben der „Rü“. Ein paar selbst gesammelte Muscheln und ein rot-weißer Rettungsring erinnern an den letzten Badeurlaub; auf dem Flachbildschirm in der Mitte plätschert das tiefblaue Meer still vor sich hin. „Sonnenschein KG“ verrät die schwarz-weiße Außenwerbung. Drinnen sitzt Diana Ackermann, eine freundliche junge Dame, die allerdings keine Urlaubs-Schnäppchen und Last-Minute-Reisen verkauft. Ackermann ist Auszubildende zur Bestattungsfachkraft und vorerst die letzte ihrer Art – zumindest in diesem Betrieb.

„Ich habe mehr mit Lebenden zu tun, als mit Toten“

Wodurch ihr Job aber wohl um einiges vielseitiger ist, als der einer Reiseverkehrskauffrau, wieso die Bundeswehr sie quasi hierher brachte, und was viele Menschen an diesem Beruf missverstehen, kann die 32-Jährige genau sagen: „Um das vorweg zu nehmen, ich habe immer noch mehr mit Lebenden zu tun, als mit Toten.“ Auch wenn die ihr nie fremd waren: Die Essenerin hat nach der mittleren Reife nämlich sowohl eine Ausbildung zur Arzthelferin, als auch eine zur Krankenschwester absolviert, war anschließend vier Jahre in der Altenpflege tätig. „Der Tod gehörte immer dazu“, erzählt Ackermann. Beruflich war er stets präsent, schon am zweiten Tag ihrer Krankenschwester-Lehre sah sie „ihre“ erste Leiche. Doch es war letzten Endes ein privater Beweggrund, der sie zur Bestattungs-Branche brachte.

Ihre an Krebs erkrankte Schwiegermutter, die sie bis zum Schluss pflegte, bat sie einst, ihr den letzten Wunsch zu erfüllen: „Ich sollte sie nach dem Tod zurecht machen, ganz in Pink, wie sie es immer selbst tat“, erinnert sich Ackermann. Was für manch einen wohl ein schweres Los wäre, empfand Ackermann als „den schönsten Moment, sich persönlich zu verabschieden“. Verabschiedet hat die junge Frau sich daraufhin auch von der Bundeswehr, für die sie (nach der Altenpflege) als Soldatin und Stabsunteroffizier im Sanitätsdienst insgesamt acht Jahre im Einsatz war. 2011 stand ohnehin eine berufliche Entscheidung an und sie entschied sich für eine Ausbildung, die dritte, „abwechslungsreichste“.

Jeder Wunsch wird erfüllt

Rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche Telefondienst, Kundenberatung, Terminkoordination, Außendienst, administrative und vor allem auch handwerkliche Aufgaben – all das macht Ackermann als Bestattungsfachkraft. Es gibt keinen Anrufbeantworter. Bestatter haben immer Bereitschaft. Sonderwünsche? „Jeder Todesfall ist individuell“, sagt die Auszubildende im dritten Lehrjahr. Den Angehörigen würden sie jeden Wunsch erfüllen, sei es Schnaps am Grab oder Frikadellen (statt Blumen) ins Grab – „wir haben alles schon gehabt“, bestätigt Chef Egon Sonnenschein. Und dennoch: Was für Familie und Freunde eines Verstorbenen eine Ausnahmesituation ist, ist für Bestatter Alltag.

Ob der Bestatteralltag aber wirklich etwas für sie ist, musste Diana Ackermann vorab in einem sechsmonatigem Praktikum unter Beweis stellen. „Das machen wir immer so“, sagt Sonnenschein, die Bewerber würden auch direkt ins kalte Wasser geschmissen. Wer keine Toten sehen kann, ist sowieso fehl am Platz. „Unfallopfer sind unschön, auch um Sterbefälle bei Kindern reißt sich wirklich niemand“, sagt Sonnenschein, „aber dafür sind wir nun mal da“. Man müsse die Distanz wahren.

„Gruselig? Das Wort kenne ich nur aus Krimis.“

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Emotional ist das nicht immer einfach, körperliche Distanz zu den Verstorbenen ist unvermeidbar: Die Hygieneversorgung der Leiche gehört dazu. Bei einer Erdbestattung dürfen höchstens acht Tage vom Tod bis zur Beerdigung vergehen, in der Zeit werden die Leichname im Kühllager in Rellinghausen aufgebahrt, Platz ist für maximal sechs.

„Gruselig? Das Wort kenne ich nur aus Krimis.“ Ackermann hat keine Berührungsängste, sie wäscht die Verstorbenen, zieht sie an, bettet sie im Sarg, schminkt sie, wenn nötig. „Wir sind keine Maskenbildner“, betont sie, „es soll so natürlich wie möglich wirken. Und friedlich, mit geschlossenen Augen, gefalteten Händen, „das macht schon viel aus“. Ob es auch schöne Momente gibt? „Ja, nach jeder Beerdigung, sagt die 32-Jährige, „wenn sich die Angehörigen für die Arbeit bedanken“.

Ihre Arbeit als Bestatterin kann sie sich dauerhaft vorstellen, so abwechslungsreich wie sie ist. Gerade verlötet sie einen Sarg für die Überführung einer Leiche nach Russland, im Frühjahr hat das Unternehmen eine Seebestattung in Sizilien ausgerichtet, bis zu zehn gibt es pro Jahr, schätzt Egon Sonnenschein

Gewissermaßen ist Ackermann also doch in der Tourismusbranche tätig. Als Begleitung für die letzte Reisestation im Leben.