Essen. . Pro Jahr sterben ungefähr 250 Essener, ohne dass jemand für Beerdigung oder Trauerfeier sorgt. Seit 2008 gibt es für sie Gottesdienste - und jetzt auch ein Buch. „Warum sind einige Menschen so unvorstellbar einsam?“, fragt sich auch Stefan Koppelmann, Sprecher der ev. Kirche.

Immer am zweiten Dienstag im Monat lädt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) gemeinsam mit der Stadt Essen zu einem ökumenischen „Gedenkgottesdienst für die Unbedachten dieser Stadt“ ein: Essener Bürger gedenken dort jenen verstorbenen Menschen aus ihrer Mitte, die auf Veranlassung des Ordnungsamtes anonym bestattet wurden, weil sich niemand sonst fand, der für Trauerfeier und Bestattung sorgen konnte.

1078 Verstorbene würdig verabschiedet

Inzwischen sind genau 1078 Verstorbene auf diese Weise würdig verabschiedet worden. Jetzt wurde ein besonderes Buch geschaffen, das gestern dem Haus der Essener Geschichte übergeben wurde: Titel: „Gedenken an die Unbedachten 2008 bis 2011“.

Die Gottesdienste sind zweifellos eine gute Sache, trotzdem macht die große Zahl der anonym Beerdigten auch betroffen. „In welcher Gesellschaft leben wir, warum muss es Menschen geben, die mitten unter uns leben - und gleichzeitig offenbar unvorstellbar einsam sind?“, fragt sich Stefan Koppelmann, Sprecher des evangelischen Kirchenkreises Essen. Manchmal riefen Menschen an, die in der Liste der „Unbedachten“, einen bekannten Namen entdeckten - einen, den sie früher einmal aus der Nachbarschaft kannten, als Kollegen am Arbeitsplatz oder gar als entfernten Angehörigen. „Ich frage mich dann jedes Mal: Was mag dazu geführt haben, dass jemand aus allen familiären Beziehungen herausgerutscht ist?“, so Koppelmann.

Buch liegt im Haus der Essener Geschichte zur Einsicht bereit

Zu den Andachten für die „Unbedachten, die jährlich abwechselnd in der evangelischen Marktkirche und im Dom stattfinden, kommen regelmäßig über 100 Menschen. „Auf diese Weise ist im Laufe der Jahre eine kleine, überkonfessionelle Gottesdienstgemeinde entstanden“, berichtet Pastor Gerd Belker. Der frühere Vorsitzende der ACK Essen hat die Gedenkgottesdienste vor fünf Jahren maßgeblich mitinitiiert.

Immer ein paar Tage später trägt Heinz Dohmen, der frühere Dombaumeister des Bistums Essen, die Namen in kalligraphisch gestalteten Schriftzeichen in ein Blatt ein, das in einer Schauvitrine liegt und noch einige Wochen lang in der Kirche an die verstorbenen Menschen erinnert. Alle Blätter, die in den Jahren 2008 bis 2011 zusammenkamen, hat die Buchbinderin Annemarie Miessen nun kunstvoll eingebunden. Das so entstandene Gedenkbuch wurde an den Leiter des Stadtarchivs, Klaus Wisotzky, im Haus der Essener Geschichte übergeben. In den Räumen soll es einen angemessenen Standort finden und zur Einsicht bereit stehen.

WAZ und NRZ unterstützen Vorhaben mit kostenlosen Anzeigen

Essen war im Jahr 2008 die zweite Stadt nach Köln, die regelmäßige Gedenkgottesdienste für die Unbedachten veranstaltete; mittlerweile haben viele Großstädte ähnliche Traditionen eingeführt. Die Gestaltung der Andachten übernehmen jeweils zwei Geistliche aus den Kirchen, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angehören: Die Liturgie folgt einem festgelegten Ablauf, mit Liedern, Gebeten und biblischen Texten, die bei der Einführung der Gottesdienste gemeinsam ausgewählt wurden. Nach den einleitenden Worten „Wir erinnern uns an...“ werden am Schluss die Namen derjenigen verlesen, die in den letzten Wochen ohne Trauerfeier bestattet werden mussten; auch eine kleine Kerze wird dazu entzündet.

Die Funke-Mediengruppe unterstützt diese Form des Gedenkens: Einige Tage vor dem jeweiligen Gottesdienst werden in den Essener Tageszeitungen WAZ und NRZ sowie in den Anzeigenblättern des Hauses kostenlose Traueranzeigen geschaltet, in denen die Namen der Verstorbenen aufgeführt sind.

Der nächste ökumenische „Gedenkgottesdienst für die „Unbedachten dieser Stadt“ ist am Dienstag, 14. Mai, um 17 Uhr im Dom, An St. Quintin 3.