Essen. . Ab 2014 will NRW muslimische Friedhöfe erlauben, eine Erlaubnis, die in Essen keiner vermisst: Am Hallo in Stoppenberg gibt’s das Nebeneinander auf dem Gottesacker seit über 40 Jahren. Weitere Stadtteile sollen jetzt folgen.

Auf dem Weg zur letzten Ruhe sind sie lange unterwegs: 3000 Kilometer zurück in die alte türkische Heimat, das ist öfter als mancher denken mag, noch Alltag jener, die einst als „Gastarbeiter“ nach Essen kamen. Und die sich hierzulande nur so lange zuhause fühlen, bis dass der Tod sie von den Nachbarn scheidet.

Begräbnisse mit Tradition

Dennoch gibt es viele, die bleiben, und nirgends in der Stadt lässt sich das so gut besichtigen wie auf dem islamischen Bestattungsfeld des städtischen Friedhofs am Hallo in Stoppenberg. Wo andernorts noch bis weit ins jüngste Jahrzehnt über den Segen für solche Grabstätten gerungen wurde, reicht die Essener Tradition muslimischer Begräbnisse mehr als 40 Jahre zurück: Der Premiere am 24. Oktober 1972 folgten bis heute allein in Stoppenberg 3.000 weitere Beerdigungen. Ein eigener muslimischer Friedhof, wie NRW ihn ab 20914 möglich machen will? Kein Bedarf.

So erfolgreich ist das Angebot, die letzte Ruhestätte dort zu nehmen, wo man auch gelebt hat, dass die Stadt erst vor zwei Jahren in Stoppenberg ein zweiten Grabfeld für Angehörige muslimischen Glaubens eingerichtet hat. Und mittlerweile überlegt, eine Art Gruft-Ghetto schon dadurch zu vermeiden, dass das Nebeneinander auch auf zwei oder drei weitere Friedhöfe ausgeweitet wird.

Vorschriften muslimischer Bestattungskultur

„Welche das sein könnten, darüber diskutieren wir noch“, sagt Hans-Joachim Hüser, Leiter der Friedhofsabteilung bei „Grün und Gruga“: Denn der Plan, übers gesamte Stadtgebiet verteilt ein Angebot zu machen, muss zusammenpassen mit den verfügbaren Flächen und den Vorschriften muslimischer Bestattungskultur.

Was bedeutet: Das Grabfeld darf zuvor noch nicht belegt worden und es muss so zugeschnitten sein, dass das Gesicht der Verstorbenen, auf der rechten Körperseite liegend, Richtung Mekka zeigt. Bei der Friedhofsverwaltung behelfen sie sich mit einem Blick ins Internet: Unter www.gebetsrichtung.de sehen auch Laien des Vermessungswesens auf den ersten Blick, wie die Gruften platziert sein müssen, von Karnap (127 Grad 35 Minuten) bis Kettwig (127 Grad, 13 Minuten).

Ein ernstzunehmender Faktor

Längst ist die muslimische Begräbniskultur ein ernstzunehmender Faktor in der Stadt geworden, weil die traditionelle christlich-abendländische mehr und mehr abhanden zu kommen scheint. Seit Jahren ist die Zahl der Erdbestattungen in Essen rückläufig, rund 70 Prozent der 4.600 Bestattungen im vergangenen Jahr waren bereits Feuerbestattungen, und davon wiederum 30 Prozent anonym.

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Eine Entwicklung mit Folgen für die städtische Friedhofsplanung: Von den einst ausgewiesenen Erweiterungsflächen für die bestehenden Friedhöfe hat sich „Grün und Gruga“ schrittweise getrennt, die jetzt verfügbaren Flächen, so Hüser, reichen gut und gerne für die nächsten 20 Jahre aus. Auch dann, wenn nach den arabischen und südosteuropäischen mehr und mehr türkische Muslime hier bleiben.

„Nicht überall gibt es so gute Lösungen“

„Das ist bei uns ein Prozess, der begonnen hat“, sagt Muhammet Balaban, einst Vorsitzender des Integrationsrates und selbst bis vor kurzem noch der festen Überzeugung, nach seinem Leben dorthin zurückzukehren, wo seine Wurzeln sind: „Die Angehörige hier haben es oft schwer, denn von denen in der Türkei werden Ansprüche formuliert“. Die Stadt verhalte sich gleichwohl vorbildlich: „Das läuft prima, nicht überall gibt es so gute Lösungen.“

Wenngleich immer wieder auch Konflikte auftreten: von der Sorgfalt der Grabpflege, über Geschmacksfragen, weil schon mal eine Esstisch -Verlängerung als Grabstein dient, bis hin zum Verkehrsmanagement bei Beerdigungen. Im Kern aber, versichert Hüser, gibt’s keine Unterschiede zu Nicht-Muslimen. Die gleichen Gedenksteine, die gleichen Stiefmütterchen, und Matchbox-Autos auf den Kindergräbern. Und das Denken ändert sich. Balaban will wohl bleiben.

Für immer.