Essen. . Die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen stieg im vergangenen Jahr auf knapp 400. Für die Stadt Essen bedeutet dies einen neuen Höchststand. Insgesamt gingen im letzten Jahr über 1300 Meldungen beim Jugendamt ein. Auch für das laufende Jahr wird ein ähnlich hoher Stand erwartet.

Tag für Tag, Nacht für Nacht ist in Essen der Nachwuchs gleich mehrfach in Not: Über 1300 Meldungen auf Gefährdung des Kindeswohls gingen allein im vergangenen Jahr im städtischen Jugendamt ein. 397 Kinder und Jugendliche mussten aus ihrer Familie und zumindest vorübergehend in Obhut genommen werden. Das ist ein neuer Höchststand.

Im Jahr davor waren es 338 bis zu 18-Jährige, die in einer akuten Krise steckten. Fast zwei Drittel davon waren Mädchen. Am Ende diesen Jahres werden sich die Fälle auf ähnlich hohem Niveau einpendeln. Da gibt sich Ulrich Engelen, Leiter der Sozialen Dienste bei der Stadt Essen, keiner Illusion hin: „Wir haben keinen Hinweis darauf, dass die Zahlen zurückgehen werden.“

256 Kinder tatsächlich gefährdet

Die Mehrzahl der vom Jugendamt in Obhut genommenen Minderjährigen waren Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren (244). 113 von ihnen wollten auf eigenen Wunsch ihre Familie verlassen. Nichts selten waren kulturelle Konflikte der Grund. Etwa wenn die Teens mit tradierten Vorstellungen der Eltern brechen wollten und dafür Unterstützung suchten. „Eine einzige Übernachtung außerhalb der Familie löst dann sofort einen Strich in der Statistik der Inobhutnahmen aus“, relativiert Engelen die hohen Meldungs-Zahlen. In 256 Fällen waren Kinder allerdings tatsächlich gefährdet.

Deshalb gibt’s nichts zu verharmlosen: In 80 bis 85 Prozent der Fälle stellen die Jugendhelfer fest, dass eine Familie Unterstützung braucht. Ohne Grund, so scheint’s, schlägt also niemand Alarm.

Zunehmende Aufmerksamkeit der Bürger

Nachbarschaftsintrigen sind für Engelen jedenfalls kein Grund für die Vielzahl der Verfahren zur „Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls“: „Das war anfangs meine große Befürchtung. Doch die hat sich nicht bestätigt.“

Eine seit Jahren zunehmende Aufmerksamkeit beim Bürger und die gesetzliche Verpflichtung für Schulen, Ärzte, die Polizei und Einrichtungen wie Kindergärten und Familienzentren, sich aktiv für den Kindesschutz einzusetzen und mögliche Verdachtsfälle zu melden, sind vielmehr eine Ursache für die konstant hohen Zahlen. Wer genauer hinschaut, der sieht auch mehr.