Essen. . OVG-Beschluss bringt neue Hoffnung für „Kulturgut“ – die Stadt will die Lage zunächstrechtlich prüfen lassen. Politik kritisiert Mangel an Klarheit.

„Es ist wie es ist“, hatte Achim Schräder den Ausgang im Kampf um Essens „Kulturgut" Anfang Mai bedauert. War doch die Tatsache, dass dem Bürgerbegehren letztlich nur 75 von 13.649 Unterschriften fehlten, für ihn als einen der drei Vertretungsberechtigten besonders bitter. Damit müsse man leben, sagte er noch. Müssen sie nun doch nicht, wie es aussieht: Zumindest der Fall in Rheda-Wiedenbrück ging durch den Eil-Beschluss des Oberverwaltungsgerichts positiv aus – auch Unterschriften ohne Geburtsdaten sind für gültig erklärt.

„Und es ist bei uns nur eine Frage der Zeit, dass es auch so kommt“, zeigt sich „Kulturgut“-Initiatorin Anabel Jujol abermals siegessicher. Erleichtert seien sie und Schräder als Vertretungsberechtigte, nicht nur weil sie sich den Menschen gegenüber verpflichtet fühlten, die sich mit ihren Unterschriften für die Kultur in Essen einsetzen. „Vielleicht werden wir ein Exempel statuieren, und damit weiteren Bürgerbegehren den Weg ebnen“, hofft Jujol vielmehr.

Stadt will den Fall rechtlich prüfen

Doch während die Kulturgut-Macher sich schon ausmalen, ihren potenziellen Bürgerentscheid mit jenem gegen den Messe-Umbau möglicherweise in einem Rutsch mit der Bundestagswahl „finanziell effizient“ zusammen zu legen, bleibt man bei der Stadt noch auf dem Boden der Tatsachen. Man habe den Fall aus Rheda-Wiedenbrück zwar verfolgt, wolle aber zunächst den Beschluss in schriftlicher Form anfordern, heißt es vom Presseamt der Stadt Essen. Den werde man rechtlich prüfen lassen. Ob und inwieweit dieser Fall überhaupt auf Essen übertragbar ist, werde man dann sehen.

Bis sich die Stadt und damit auch Oberbürgermeister Reinhard Paß also wohlmöglich diesen Patzer eingestehen muss, dürften also noch einige Wochen verstreichen. Und nicht nur das passt manchem in der Politik so gar nicht: Der langwierige, verwaltungstechnisch verwirrende Prozess „verführt dazu, vor allem im Vorlauf von Kommunalwahlen Ersatzpolitik zu betreiben“, befürchtet Hans Aring, kulturpolitischer Sprecher der SPD- Ratsfraktion. Für eine politische Entscheidung wie diese sei solch ein Zusammenhang wenig sachdienlich. Es bleibe zu hoffen, dass „Bürgerbegehren künftig einwandfrei“ zu handhaben sind, „ohne technische Lücken und Grauzonen“. Auch bei der CDU ist man das Hin und Her leid, und spricht von einer „unglücklichen Verwaltungsvorlage“. Jede Stadt mache gewissermaßen ihr eigenes Ding „und der Mangel an Klarheit führt zu Frustration – bei Politik und Bürgern“, so CDU-Fraktionschef Thomas Kufen.

"Wir werden weiter kämpfen"

Die Ratsfraktion der Grünen geht da noch einen Schritt weiter und beurteilt die Regelung, eine Unterschrift auch ohne Geburtsdatum gelten zu lassen als eine, „die der Realität nur Rechnung trägt“. Eine Person müsse auch so identifizierbar sein. „Und wenn die Stadt sich da in ihrer Entscheidung geirrt hat, muss sie diese korrigieren und die Konsequenzen tragen“, fordert Jochen Drell stellvertretend für die Ratsfraktion der Grünen. Die Grundsatzbedeutung für Bürgerbegehren sei dabei positiv zu werten. „Den Weg der Bürgerbeteiligung zu erleichtern ist zu begrüßen“, so Drell.

Dass sich das Blatt nun doch wenden soll, erfreut vor allem die Linksfraktion, die in der letzten Ratssitzung jüngst als einzige für die Zulässigkeit des Kulturgut-Begehrens gestimmt hatte. „An dem Urteil des OVG sehen wir, dass die Zulässigkeit eines Bürgerbegehren keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage ist,“ kommentiert Linken-Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Leymann-Kurtz die gute Nachricht. „Der Rat wird nun gezwungen sein, diese falsche Entscheidung aufzuheben.“

Sollten nun mindestens 75 Unterschriften und damit das Begehren für gültig erklärt werden, sollte der Rat dem Begehren beitreten und die Kürzungen damit zurücknehmen. Andernfalls müsse es zum Bürgerentscheid kommen. So oder so: „Wir werden weiter kämpfen“, sagt Achim Schräder.