Essen. Das Bürgerbegehren „Kultur“ ist im Rat gescheitert. Am Ende fehlten der Initiative 75 Stimmen, allerdings durften 372 Stimmen nicht gewertet werden, da in diesen Fällen das Geburtsdatum der Unterzeichner nicht eingetragen war. Für den Oberbürgermeister ist dies eine Angabe,die nicht einfach unter den Tisch fallen dürfe. Das Oberverwaltungsgericht in Münster sieht das jedoch anders.
Knapp vorbei ist auch daneben: Nur 75 Unterstützer fehlten am Ende dem Bürgerbegehren „Kulturgut“ zum Erfolg. Ach, klagten die Macher, hätte man doch wenigstens jene 372 Unterzeichner werten dürfen, bei denen im Eintrag allein das Geburtsdatum fehlte. Aber diese Angabe, so bekräftigte Reinhard Paß in der Mai-Sitzung des Rates, dürfe nicht einfach unter den Tisch fallen: sie sei „zur zweifelsfreien Identifikation (...) erforderlich“.
Doch hier irrt der OB offenbar – und mit ihm Rechts- wie Wahlamt. Denn kaum haben die Essener Begehrens-Initiatoren sich auf den Rechtsweg gemacht, meldet sich jetzt die nächst höhere Instanz. Und schlägt sich auf die Seite derer, die das Geburtsdatum in der Unterschriftenliste keineswegs für zwingend halten.
Rechtsgelehrte sprechen für Bürgerbegehren
„Wenn bei einer Eintragung einzelne Angaben fehlen, ist dies erst dann von Bedeutung, wenn die Person anhand der vorhandenen Merkmale nicht mehr zweifelsfrei identifizierbar ist“ – mit diesem Hinweis überraschte der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Münster nämlich die Stadt Rheda-Wiedenbrück in einem ähnlich gelagerten Fall. Auch dort waren „unvollständige“ Einträge, also solche ohne Geburtsdatum, als ungültig aussortiert worden.
Wenn aber nur ein Hans Müller in der X-Straße 10 wohnt, wenn nur eine Gerda Meier am Y-Weg 5 zu Hause ist – dann braucht’s auch kein Geburtsdatum mehr, denn dann ist die Identifizierung per Melderegister ein Kinderspiel. – So erklärt es Ulrich Lau, Vorsitzender Richter und Pressedezernent am OVG in Münster.
Das Verwaltungsgericht Minden hatte im Falle des Begehrens in Rheda-Wiedenbrück in erster Instanz noch strenger geurteilt: Man forderte die Geburtsdaten zusätzlich.
Stadt könnte doch noch verlieren
Der 15. OVG-Senat unter dem Vorsitz von Vizepräsident Dieter Kallerhoff folgt nun einer anderen Kommentierung der Gemeindeordnung. Zwar ist die Sicht des OVG bislang noch nicht in ein Urteil eingeflossen, das Beschwerdeverfahren läuft zur Zeit noch (Az 15 B 584/13). Aber dass der in einer Verfügung vom 26. Juni eingebaute Hinweis, es brauche nicht alle abgefragten Daten, noch einmal zurückgezogen wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. Und sollte das Oberverwaltungsgericht diese Ansicht in den nächsten Wochen in ein Urteil gießen, dann käme wohl auch die Stadt Essen kaum daran vorbei zu reagieren.
Schon unter den 372 Einträgen ohne Geburtsdatum fänden sich wohl genügend Unterzeichner, die man dann für „Kulturgut“ als gültig werten müsste, das Bürgerbegehren wäre also doch zulässig, der Bürgerentscheid damit unausweichlich.
Kurios: Unter bestimmten Umständen könnte dieser Bürgerentscheid zum Sparen im Kulturetat womöglich mit dem Bürgerentscheid zur Messe zusammengelegt werden. Ob das mit den Fristen klappt, wäre zu prüfen. Bei der Kultur kleckern, bei der Messe klotzen – das könnte eine heiße Debatte werden.