Essen. In NRW haben die sechswöchigen Sommerferien begonnen. Für viele Schüler endet mit der Zeugnis-Übergabe ein stressiges Schuljahr. Experten raten ihnen, während der Ferien eine bewusste Lernpause einzulegen. Sinnvoll seien aber auch alternative Lernwege, um den „Ferieneffekt“ zu vermeiden.
Viele Schüler werden den Schalter im Kopf inzwischen auf „Ferien-Modus“ umgeschaltet haben. Gestern gab’s die Zeugnisse – passenderweise bei strahlendem Sonnenschein. Endlich Sommerferien, für viele Schüler beginnt damit eine lernfreie Zeit. Bildungsforscher und Lehrer raten dazu, die Ferien auch als Ferien anzusehen. Nach Meinung der Experten können außerschulische Angebote und Sportprogramme allerdings durchaus sinnvoll sein, um dem „Ferieneffekt“ vorzubeugen.
„Manchmal ist es hilfreich, einen gewissen Abstand zur Schule zu haben. Andererseits sollte man sich überlegen, ob man die Sommerferien nicht auf andere Weise sinnvoll nutzen kann“, sagt Isabell van Ackeren, Professorin für Schulentwicklungsforschung an der Universität Duisburg-Essen. Gemeint sind damit außerschulische Programme, Sprachcamps oder Initiativen im künstlerischen Bereich. „Hier ist es auch Aufgabe der Eltern zu schauen, was es für Angebote gibt und die Kinder darauf anzusprechen.“
Eine "kreative Pause" ist wichtig
Die Wissenschaftlerin verweist auf den sogenannten „Ferieneffekt“: Demnach stagniert die Lesekompetenz von Schülern während der sechswöchigen Unterrichtspause – in einigen Fällen zeigt die Kurve sogar nach unten. „Die Entwicklung ist sehr abhängig vom jeweiligen Milieu und von der Schulform“, erklärt van Ackeren. Dass eine entsprechend gestaltete Freizeitgestaltung helfen kann, zeigen mehrere Studien. Zwar sollten Ferien keinesfalls verschult werden, dennoch gebe es zahlreiche Möglichkeiten zum spielerischen Lernen.
Ähnlich sieht das Meinrad Kamps. Der Schulpsychologe der Regionalen Schulberatungsstelle in Essen hält es für wichtig, dass Lehrer ihren Schülern eine „kreative Pause“ gönnen. Das sei im Berufsleben nicht anders. Es gebe aber Fälle, meint Kamps, da sollte auch in den Ferien zum Buch gegriffen werden. „Das hängt immer vom einzelnen Schüler ab. Gerade bei ganz jungen Kindern kann es sehr hilfreich sein, wenn täglich etwa zehn Minuten gelesen wird. Dadurch kann man mit sehr geringem Aufwand relativ viel erreichen“, erklärt der Schulpsychologe, der betont, dass Kinder immer lernen würden, selbst wenn sie „nur“ auf der Wiese Fußball spielen.
Sommerkurse in der letzten Ferienwoche
Das BMV-Gymnasium in Holsterhausen bietet seinen Schülerinnen spezielle Sommerkurse am Ende der Ferienzeit an. In der letzten vollen Ferienwoche kann jeweils drei Stunden täglich der Unterrichtsstoff in Mathematik oder in den fremdsprachlichen Fächern Englisch, Französisch und Latein aufgearbeitet werden. „Wir als Schule würden das nie vorschreiben. Aber es kann ja beispielsweise so sein, dass jemand mit einem „befriedigend“ auf dem Zeugnis nicht wirklich glücklich ist und aus eigenem Antrieb lernen möchte“, sagt die stellvertretende Schulleiterin Angelika von Schenk-Wilms. Etwa zehn Prozent der Mädchen in den Jahrgangsstufen 5 und 6 nehmen das Angebot in der Regel an.
Ein anderer Fall seien dagegen die Schülerinnen, die sich auf eine Nachprüfung vorbereiten, jedes Jahr eine Handvoll. „In dem Fall wäre eine Woche zu knapp kalkuliert. Die Kinder sollten schon zwei Wochen lang intensiv üben. Wir sagen ihnen auch, was sie noch aufholen müssen, um die Prüfung zu schaffen“, so von Schenk-Wilms. „Letztendlich muss das alles aber ein eigener Impuls sein. Wir sind der Ansicht, dass die Schüler für sich selbst entscheiden müssen, ob sie tatsächlich in den Ferien lernen. Jedes Kind braucht die Ferienzeit, um die Festplatte einmal komplett freizuräumen.“
Interessante Ausstellungen oder Aktivitäten
Eine klare Meinung dazu hat auch Martin Tenhaven, Schuldirektor am Leibniz-Gymnasium in Altenessen. „Ich finde, dass Erholung in den Sommerferien ganz groß geschrieben werden sollte. Danach beginnt ein neues Schuljahr. Wir geben keine Aufgaben auf, sondern raten hier und da vielleicht mal zu einem bestimmten Buch.“ Der Mathematik- und Informatiklehrer erzählt, er habe mal einem Schüler die Aufgaben für die Mathematik-Olympiade gegeben. „Ich habe ihm gesagt: Pass auf, im nächsten Jahr willst Du da doch bestimmt auch mal mitmachen - dadurch habe ich ihn motiviert, auch in den Ferien etwas zu tun.“
Tenhaven weiß, dass einige Lehrer auf interessante Ausstellungen oder Aktivitäten hinweisen. Wenn jemand tatsächlich lernen wolle, dann könne dies sicherlich nicht schaden. Sinnvoll wäre es vor allem in der letzten Ferienwoche. Der Oberstudiendirektor glaubt zwar, das dies letztendlich nur die wenigsten Schüler machen – „das ist aber auch völlig okay so.“