Essen. . Grüne und Linke sprechen sich jetzt offiziell für einen Bürgerentscheid aus. Doch noch ist nicht klar, ob ein solcher überhaupt zulässig wäre. Es kommt auf die Formulierung an.
Die Rettung der Bibliotheken hat sich erledigt, der Straßenstreit ist entschieden, die Debatte ums „Kulturgut“ noch in der juristischen Schwebe, da steht den Essenern erneut ein Bürgerbegehren ins Haus: Grüne und Linke haben sich am Mittwochabend (nahezu) einstimmig dafür ausgesprochen, das Jahrhundert-Projekt des Messe-Teilneubaus von den Bürgern absegnen zu lassen.
Viel Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen war dazu nicht mehr notwendig: Das Vorhaben, das mindestens 123 Millionen Euro verschlingt – zuzüglich neuer Messe-Verwaltung, Parkhaus und nicht eingerechneter Baubestandteile –, lässt „jegliche finanzielle Tragfähigkeit und Solidität vermissen“, klagen die Grünen. „Bis heute“, so stimmen die Linken ein, „können wir kein wirtschaftlich tragfähiges Konzept erkennen“.
Auch wenn Grüne und Linke ansonsten unterschiedliche Positionen zur Messe einnehmen – im Ziel, am Ende den Bürgern die Entscheidung zu überlassen, ob ihnen das Vorhaben so viel Geld wert ist, wissen sie sich einig. Erste Abstimmungsgespräche für ein gemeinsame Vorgehen hat es bereits gegeben, die Zeit drängt: Geht es um ein „kassierendes“ Bürgerbegehren, das den für 17. Juli geplanten Ratsbeschluss „einkassieren“ soll, dann startet an diesem Tag auch die dreimonatige Sammelfrist.
An genügend Unterstürzern zweifelt niemand
Dass sie die rund 13.650 Unterstützer zusammenbekommen, mit denen sich ein stadtweiter Bürgerentscheid erzwingen ließe, daran zweifelt niemand ernsthaft, auch wenn die Sammelzeit in die politische Sommerpause fällt. Denn nach den Sommerferien beginnt der Bundestagswahlkampf – dann ist man eh werbend in der Stadt unterwegs und die Bevölkerung gut ansprechbar für heiße politische Eisen mit Lokalkolorit.
Eine ganz andere Frage ist da schon, ob das Jahrhundertprojekt des Messe-Teilneubaus einem Bürgerentscheid überhaupt noch zugänglich ist. Es kommt da ganz entscheidend auf die Fragestellung an, heißt es bei der Stadt, die das Vorhaben der Messe-„Ertüchtigung“ an sich längst für unumstößlich hält: Das sei schließlich schon im November 2011 beschlossen worden. Aber worauf soll sich die Frage an die Bürger (die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden darf) dann beziehen?
Grüne und Linke suchen Hilfe bei Juristen
Erste Hilfe suchen Grüne und Linke jetzt schon bei Juristen, um das Begehren wasserdicht zu machen. Sollte die Stadtspitze an der Zulässigkeit zweifeln, wird sie ihrerseits Rechtsrat einholen: „Auf das städtische Rechtsamt allein werden wir uns im Falle einer Konfrontation wohl nicht verlassen“, heißt es aus dem Rathaus.
Am Ende könnte dann – nach Abschluss der Unterschriftensammlung im Oktober – ein Rechtsstreit vor dem (Ober-)Verwaltungsgericht stehen. Bis dahin wollen Stadt und Messe, so erfuhr die NRZ, die Planung des Messe-Neubaus auf keinen Fall anhalten: Es könne allenfalls darum gehen, keine Fakten zu schaffen, die sich später nicht korrigieren lassen.
Unabhängig von der Rechtsfrage, sei überdies die politische Bewertung spannend: „Wenn nicht 15.000, sondern 115.000 Unterschriften vorliegen – kann man dann das Projekt durchziehen?“
Erste Hürde: Das Begehren
Damit es überhaupt zu einem Bürgerentscheid über den Messe-Teilneubau kommt, ist ein erfolgreiches Bürgerbegehren erforderlich. Dieses muss von drei Prozent der bei einer Kommunalwahl wahlberechtigten Essener unterzeichnet sein. Das sind 3% von zuletzt rund 455.000, also circa 13.650 Bürgern.
Sie haben es noch einmal besprochen: CDU, Grüne, FDP und Essener Bürger Bündnis, aber am Ende erwartungsgemäß keine Einigung erzielt: „Wir verlassen in dieser Sache das heimelige Viererbündnis“, sagt also die grüne Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger und kann daran nichts Verwerfliches finden: „Es ist legitim zu sagen: Bei der Messe gehen Grüne ihren eigenen Weg.“
Während Thomas Kufen (CDU) sich schon vor Wochen bemühte, das Ausscheren nicht sonderlich hoch zu hängen („Wir haben immer gesagt, dass wir manche Themen vor die Klammer ziehen“), schlägt Hans-Peter Schöneweiß, Frontmann der FDP-Ratsfraktion, schärfere Töne an: „Das ist nicht das endgültige Aus fürs Viererbündnis, aber die Zusammenarbeit wird sicher deutlich schwieriger, wenn man bei entscheidenden Themen – der A52 etwa oder dem Messe-Ausbau – nicht gemeinsam in eine Richtung zieht.“