Essen. .

Bürgermeister Rolf Fliß (Die Grünen) ist Mitglied im Aufsichtsrat der Messegesellschaft. Er gilt als konstruktiver Kritiker der Pläne zur Ertüchtigung. Mit ihm sprach Andreas Rorowski.

Die Frage danach, ob Essen überhaupt eine Messe brauche, empfand Messe-Chef Egon Galinnis in einem WAZ-Interview als abwegig. Ist sie auch aus Ihrer Sicht abwegig?

Rolf Fliß: In Zeiten des Internets, der Konferenzschaltungen und von Skype erscheint die Frage berechtigt, ob man Messeflächen in dieser Größe braucht. Auch wir von den Grünen haben die Position vertreten, eine kleinere, kompaktere, aber technisch aufgemotztere Messe wäre die bessere – im Sinne von klein und fein und mit einem höheren Kongressanteil. Weil wir glauben, dass das Kongresswesen ein Zukunftsgeschäft ist und dass der Messeanteil zukünftig, was den Flächenbedarf betrifft, schrumpft.

Die Messegesellschaft beklagt bisweilen die eingeschränkten Möglichkeiten auf ihrem Gelände. Wäre angesichts des Volumens der anstehenden Investitionen der Zeitpunkt nicht günstig gewesen, über einen anderen Standort nachzudenken?

Fliß: Leider nicht mehr. Die Entscheidung hätten wir vor der Messe-West-Erweiterung treffen müssen. Wenn damals schon die Bereitschaft bestanden hätte, den Flughafen Essen/Mülheim aufzugeben, dann hätte man vor dem Bellini-Neubau vielleicht dorthin umziehen können. Aber jetzt haben wir so viel Geld in die Hand genommen für diverse Baumaßnahmen, Messe-Süd- und Messe-West-Erweiterung sind ja noch nicht mal abgezahlt. Wir können uns das wirtschaftlich nun gar nicht mehr leisten. Schade.

Ist die Messe identitätsstiftend?

Fliß: Je nachdem was man unter Messe versteht. Die Menschen in meinem Alter verstehen unter Messe häufig Grugahalle, den Rockpalast, internationale Showgrößen, unvergessliche Erlebnisse.

Lieben die Essener ihre Messe?

Fliß: Ich glaube, es ist eine Hassliebe. Die, die weiter weg wohnen, kriegen von der Messe wenig oder gar nichts mit. Diejenigen, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen, regen sich schon mal auf über Falschparker oder Wildpinkler auf. Der langjährige Rüttenscheider Pfarrer Kolb sprach immer wieder von der Mes-
sekrake, weil sie sich immer tiefer in die Nachbarschaft, in Quartiere und auch in den Grugapark ausdehnte. Aber dann sind da auch die Gastronomen auf der Rüttenscheider, deren Kassen klingeln, wenn wieder Messe ist und kein Tisch ohne Reservierung zu bekommen ist.

Sie fordern eine Kostenbremse für die Messe-Modernisierung. Es wäre wohl das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass man bei einem großen öffentlichen Auftrag im Kostenrahmen bliebe.

Fliß: Genau deswegen sind wir Grüne auch so kritisch. So drängen wir darauf, dass es keine Schattenhaushalte gibt, aber Kostentransparenz und einen Finanzpuffer von mindestens 15 Prozent. Wir sagen, lieber kleiner und feiner, aber im Kostenrahmen, als Augen zu und durch.

Sie wollen einen Bürgerentscheid. Steht nicht zu befürchten, dass viele, die dann mitentscheiden können, zu wenig wissen und diese wichtige Entscheidung eine Stimmungsentscheidung und keine wohl abgewogene wird?

Fliß: Ich gehe davon aus, dass bei einem Wahlbürgerentscheid nur die Menschen zur Wahl gehen, die sich auch mit diesem Thema auseinander gesetzt haben. Partizipation ist ein gutes Mittel gegen Verdruss und Wahlmüdigkeit. Teilhabe eines mündigen Bürgers an den politischen Prozessen halte ich für unabdingbar. Und ich möchte ja auch mehr Menschen gewinnen, sich mit der Zukunft ihrer eigenen Stadt auseinander zu setzen. Ich glaube, der mündige Bürger ist viel klüger und verantwortungsbewusster als mancher Pessimist meint.

Dass sich damit die Modernisierung der Messe verzögern würde, ist für Sie hinnehmbar?

Fliß: Das sind Demokratiekosten. Wenn wir den mündigen Bürger wollen, dann muss man das in den Fahrplan mit einbauen dürfen. Alles andere wäre eine reine Ratsdemokratie. Mehr Wettbewerb und mehr Werben um die Sachthemen, um Inhalte und Mehrheiten, hat der Demokratie noch nie geschadet.

Wann wird die Messe fertig?

Fliß: Ich hoffe zur Messe Schweißen & Schneiden 2017.