Essen. Die Sport- und Bäderbetriebe in Essen stehen absehbar vor dem finanziellen Offenbarungseid: Die Millionenlücke wächst dramatisch, die Politik ist alarmiert.

Von ihrem Hobby, das sie zur politischen Leidenschaft gemacht haben wissen sie nur zu gut: Siegen ist Kopfsache. Aber allzu selbstbewusst gehen Essens Sportpolitiker in diesen Tagen nicht ans Werk, sondern voller Sorgen um ihr Steckenpferd, den organisierten Sport. Und wo andere drastische Vokabeln scheuen, gibt’s die bei Herbert Bußfeld frei Haus:

Dem Sport, so sagte der Sprecher der Linken jüngst im Sportausschuss, „hängt das Seil schon um den Hals, es muss nur noch zugezogen werden“. Sport und Sparen? Es ist genug, da winken alle ab: „Wir können nicht mehr zumachen, dann ist die Sport-Infrastruktur in dieser Stadt hin“, ereiferte sich Bußfeld, erntete zustimmendes Klopfen und ein ausdrückliches „Danke“ von Wolfgang Rohrberg, Geschäftsführer des Essener Sportbundes.

Der Sanierungsstau wächst

Nein, es wird kein Zufall sein, dass sich in diesem und im kommenden (Wahl-)Jahr noch mal das Schlimmste verhindern lässt. Ab 2015 aber, wenn auch der Zuschuss aus dem Stadtetat für den Sport wieder auf 18 Millionen Euro sinken soll, lässt sich die dramatische Finanzlücke nicht mehr kaschieren: In einer Größenordnung von rund 3,7 Millionen Euro klafft sie im Etat – zu sagen, dass es nicht mehr rund läuft in den 13 Bädern und auf 72 Sportanlagen, wäre also arg untertrieben.

Man rettet sich mit letzter Luft in die nächste Saison, die reinste „Mangelwirtschaft“, so beschreibt es der Lagebericht, der jetzt im Rahmen des Jahresabschlusses 2012 vorgelegt wurde: Wo Personal gespart wurde, fraßen die Tarifsteigerungen prompt wieder auf, was man sich mühsam abgerungen hatte, dazu steigen die Energiekosten unaufhaltsam. Wörtlich heißt es: „Die Mittel reichen jetzt schon nicht aus, um die bestehende Sportinfrastruktur nachhaltig zu bewirtschaften.“ Der Sanierungsstau wächst, um Löcher zu stopfen verfrühstückt man die Erlöse aus dem Verkauf aufgegebener Standorte, ein Unding, das wissen sie.

Bis Ende 2014 will man durchhalten

Anfang Juli wollen Sportverwaltung und Politik intern Tacheles reden, was man sich im öffentlichen Ausschuss offenbar so nicht traut: Es wird, so ist zu hören, eine Art Offenbarungseid, bei dem die Liste möglicher Sparfolgen Augen öffnen dürfte.

Kein Wunder, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass das seit langem beschlossene Aus fürs Bad am Südpark in Kray – nur aufgeschoben bis zum Abschluss der Sanierung im Schwimmzentrum Oststadt – gerade mal 230.000 Euro Betriebskosten einspart. Und auch die sind nicht mehr auskömmlich, wie Espo-Geschäftsführer Rohrberg betont. Bis Ende 2014 will man durchhalten, den Sportlern zuliebe. Weiter ginge es nur mit einem höheren Zuschuss.

Streichen im Sport? Nicht vor der Wahl...

„So marode, dass es kaum mehr Spaß macht“ 

Im Sport sind sie es leid, der Finanzlücke hinterherzusparen, und auch wenn sich noch viele Angebote durch ehrenamtlichen Einsatz aufrechterhalten lassen: „Wir demotivieren viel“, seufzt Wolfgang Rohrberg, und damit meint er nicht zuletzt auch seine eigenen Leute beim Essener Sportbund, denn das Bad am Südpark ist eben „so marode, dass es kaum mehr Spaß macht“.

Rohrberg vermag „keinen Bereich in dieser Stadtgesellschaft zu erkennen, der schon so viel gespart und geschlossen hat wie der Sport“. Und längst ist die Bereitschaft, nicht auf einer Infrastruktur zu hocken, die mal für 750.000 Essener gedacht war, der Erkenntnis gewichen, dass man mittlerweile an die Substanz geht.

Wohl kein Geld aus anderen Resorts

Das Aus fürs Bad am Südpark ist dabei nur der letzte Baustein dessen, was man schon längst geopfert hat. Vor allem bei den Grünen ist immer wieder herauszuhören, dass sie sich damit noch sehr schwer tun (werden), und Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger gibt denn auch zu: „Bevor wir endgültig den Schlüssel rumdrehen, würde ich mir gerne noch mal die Daten anschauen“, schließlich werde das Bad ja gut angenommen.

Aber ein Aufschnüren des Bäderkompromisses sei damit nicht verbunden, und vor der Kommunalwahl, so sagt auch Klaus Diekmann, der Vorsitzende im Sport-Ausschuss, dürfte sowieso nirgends mehr was passieren. Und danach?

„Ich sehe nicht, dass irgendein anderes Ressort uns im Sport Geld herüberschiebt“, mutmaßt SPD-Ratsherr Ingo Vogel, und Sport-Dezernent Andreas Bomheuer sekundiert die allgemeine Ratlosigkeit mit dem Hinweis, dass die Sport- und Bäderbetriebe zuletzt in der Tat „davon lebten, dass wir Eigenkapital veräußert und im konsumtiven Bereich verausgabt haben“.

„So geht’s jedenfalls nicht mehr weiter.“

Wo noch etwas herauszupressen wäre? „Da müssten wir unternehmerischer denken“, orakelt Bomheuer, aber es gebe nun mal keine nennenswerten Erträge außerhalb des Postens Vermietung und Verpachtung. Soll man die Badgebühren drastisch erhöhen? Die Benutzungsgebühren für die Sportvereine? Die Zuschüsse kappen?

In der Kultur hat die unverhohlene, provokante Adresse an die Politik „Dann müssen sie halt eine Sparte schließen“ selbige aufgeschreckt. Manchem schwebt im Sport eine ähnliche Aktion vor. „So geht’s jedenfalls nicht mehr weiter.“