Essen.

Jahrelang hat er sich mit Jobs über Wasser gehalten. Reichtümer konnte Marco Kurz damit nicht anhäufen. Sein letzter Arbeitgeber ist ihm sogar noch 1500 Euro Lohn schuldig. Als Ungelernter, das habe er gemerkt, gibt es kein Fortkommen. Irgendwann reifte bei ihm die Entscheidung, den Schulabschluss nachzuholen und doch noch eine Ausbildung zu machen – sozusagen über den dritten Bildungsweg, nach einigen Umwegen.

„Als Jugendlicher habe ich alles geschmissen: Schule, Ausbildung. Ich war faul“, gesteht Marco Kurz. An diesem Mittag aber muss er sich vorkommen wie ein gefeierter Held. Spontaner Applaus brandet zweimal in der Runde der Vertreter einiger Jobcenter auf, die auf Einladung von VHS und Bfz Essen zu einer Informationsveranstaltung an den Burgplatz gekommen sind.

Arbeitsvertrag zum 1. Juli

Sie treffen etliche Schüler im Erwachsenenalter, die gerade bei der VHS ihren Hauptschulabschluss absolviert haben und jetzt eine Berufsvorbereitungsmaßnahme beginnen. Und sie treffen Marco Kurz. Jenen Mann, den VHS-Fachbereichsleiterin Heike Hurlin als „unseren Vorzeigeschüler“ bezeichnet. Er, der mehrmals in der Hauptschule sitzen geblieben und mit 16 nach der 7. Klasse abgegangen ist, hat 16 Jahre später binnen fünf Monaten den Hauptschulabschluss absolviert, dann die Berufsvorbereitung beim VHS-Kooperationspartner Bfz durchlaufen und steht nach weiteren zehn Monaten betrieblicher Ausbildung nun unmittelbar vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum Mechatroniker. „Ich habe auch schon einen Arbeitsvertrag. Am 1. Juli fange ich bei der Firma Intesik in Herten an“, erzählt Kurz. Und wieder klatschen Jobcenter-Mitarbeiter und VHS-Schüler spontan.

Der Mann hat es geschafft. Zwar steht am Dienstag noch das Fachgespräch vor der IHK aus. Aber dafür ist er nach einer zwei in der schriftlichen Prüfung und einem offenkundig gut verlaufenen praktischen Prüfung sehr zuversichtlich. Auch die Mündliche möchte er mit 2 absolvieren. „Am Anfang war es nicht einfach“, gesteht er. Zumal er erst drei Wochen nach Kursbeginn zur Klasse gestoßen war. „Ich habe mir immer Etappen vorgenommen. Erst der Schulabschluss, dann die Berufsvorbereitung und dann die Ausbildung.“ Eine Strategie, die hundertprozentig aufging.

Und so eine Strategie scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein für Schüler, die seit Jahren keine Schule mehr besucht, mitunter auch lange keiner geregelten Arbeit nachgegangen sind und die sich mit Beginn des Kurses erst einmal in Strukturen einfinden müssen. „Wer es schafft, regelmäßig zu kommen, der schafft auch den Abschluss.“ VHS-Lehrerin Cäcilia Klus weiß, dass nicht der Schulstoff, sondern andere Umstände die größte Herausforderung für die Schüler sind.

Förderung unklar

Zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch hatten VHS und Bfz als Bildungsträger die Vertreter einiger Jobcenter geladen. Im Gespräch mit 16 von 22 Kursteilnehmern, die gerade ihren Hauptschulabschluss erlangt haben, sollte deutlich werden, dass es sich lohnt, die schulische Weiterbildung und berufliche Vorqualifikation zu fördern, auch wenn es, wie Reiner Siebert sagt, der Abteilungsleiter der Berufsförderung bei der Bfz, eine „überdurchschnittliche Abbrecherquote“ gibt.

Voraussetzung für die Förderung ist ein Bildungsgutschein, den das Jobcenter vergibt. „Uns ist manchmal nicht ganz klar, nach welchen Kriterien dies geschieht“, sagt Sabine Ruttkowski, VHS-Lehrerin und Koordinatorin. Nach sieben erfolgreichen Lehrgängen von VHS und Bfz, die zu Hauptschulabschluss und Berufseinstieg führen, gebe es noch keine festen Zusagen für den nächsten Kurs, der im September beginnen soll. „Anfragen dafür gibt es viele“, so Ruttkowski.

Die Vergabepraxis der Jobcenter erklärt Sprecherin Heike Schupetta: Es werden Bildungszielplanungen mit jedem Vermittler gemacht, berücksichtigt würden dabei die Vorkenntnisse der Kunden, der Berufswunsch und die Intregationschancen auf dem Arbeitsmarkt.

2000 Bildungsgutschein möchte das Jobcenter Essen insgesamt in diesem Jahr davon ausgeben. Dafür steht im Gesamtbudget von 47 Millionen Euro ein Posten von 13 Millionen Euro zur Verfügung. Durchschnittlich ist damit jeder Bildungsgutschein 6500 Euro wert. Mit der Vergabe des Gutscheins werden die Kosten der Weiterbildung übernommen.