Essen. . Mehr als 300 Jugendliche verlassen jährlich Essener Schulen ohne Abschluss. Jetzt möchte die Stadt zusammen mit Jobcenter, Sozialträger und Wirtschaft neue Programme anbieten, die Schüler auf eine Ausbildung vorbereiten und die vermeiden, dass Jugendliche durch das Raster von Zuständigkeiten fallen.

Noch verlassen mehr als 300 Jugendliche Jahr für Jahr die Schulen dieser Stadt ohne einen Abschluss und machen sich auf einen Lebensweg ohne gute Aussichten. Noch leben über 11.000 unter 25-jährige Essener in Armut. Nicht nur für Jobcenter-Chef Dietmar Gutschmidt ist dies „eine erschreckende Zahl“, die zuletzt in einer Hartz-IV-Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes für einen traurigen Rekordplatz unter den Großstädten sorgte.

2452 jugendliche Hartz-IV-Empfänger

2452 jugendliche Hartz-IV-Empfänger sind arbeitslos gemeldet. 6799 der jungen Menschen, die in so genannten Bedarfsgemeinschaften leben, sind noch Schüler, über 1000 trotz ihrer Jugend bereits alleinerziehend mit einem Kind unter drei Jahren und ein erklecklicher Prozentsatz junger Essener hat noch viel zu viele andere Probleme als „nur“ keinen qualifizierten Abschluss, um eine Eintrittskarte in die Arbeitsgesellschaft zu lösen: Psychosoziale Störungen, Angstzustände, Depressionen, Essstörungen und mehr machen den Heranwachsenden zunehmend zu schaffen.

So sah sich zum Beispiel die Jugendberufshilfe, die sich um die schwächere Klientel dieser Stadt kümmert, gezwungen, Schulungen anzubieten, damit ihre Mitarbeiter mit diesen vielfältigsten Phänomenen umzugehen lernen. Kein Wunder also, wenn Sozialdezernent Peter Renzel konstatiert: „Das Thema Jugendarbeitslosigkeit fordert uns in dieser Stadt am meisten heraus.“

Ein ehrgeiziges Ziel 

Vor diesem Hintergrund, aber auch angesichts einer binnen zwei Jahren dramatisch um 42 Prozent auf 47 Millionen Euro eingedampften Unterstützung des Bundes mag das Ziel, was sich die Stadt im Kampf gegen die seit Jahren zu hohe Jugendarbeitslosigkeit nun neu gesetzt hat, als ein mehr als ehrgeiziges erscheinen: „In fünf bis sechs Jahren“, so Renzel, soll es in Essen „keinen ohne Abschluss und keinen ohne Anschluss“ auf dem Arbeitsmarkt mehr geben.

Das mit allen Akteuren – von Eltern über Schulen, Wirtschaft und Betrieben, bis hin zur Jugendhilfe und Jobcenter – hinzubekommen, sei eine „Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit der Stadt“. Denn jeder Essener im Hartz IV-Bezug kostet die Kommune durchschnittlich rund 380 Euro monatlich. 28.925 Empfänger kennt die aktuelle Statistik.

Wo das Geld fehlt, sind Ideen und eine stärkere Zusammenarbeit aller für den Arbeitsmarkt verantwortlichen Kräfte gefragt.

Es sind viele Wege, die die Stadt künftig mit dem Jobcenter und Sozialträgern gehen will, doch sie alle haben nur ein Ziel: Hartz-IV-Karrieren zu beenden oder besser noch, sie zu vermeiden.

Örtliche Träger sollen enger zusammenrücken

Helfen soll dabei unter anderem ein so genanntes Übergangsprogramm, das gemeinsam mit Vertretern aus der Wirtschaft an den Schulen installiert wird. In den nächsten drei bis vier Jahren sollen an allen weiterführenden Büros zur Berufsorientierung eingerichtet sein, die Schüler ab der achten Klasse auf die Ausbildung vorbereiten.

Die örtlichen Träger sollen zudem enger zusammenrücken, damit möglichst kein Jugendlicher mehr durchs Raster der Zuständigkeiten rutscht. Neue „Produkte“ sind auf den Markt zu bringen, wie zum Beispiel das „Perspektiv-Center“ der Jugendhilfe.

Dorthin vermittelt das Jobcenter junge Menschen, die „sehr orientierungslos sind“, sagt Thomas Virnich von der Jugendberufshilfe, die 40 Plätze anbietet, damit sich die Jugendlichen erst einmal selbst ausprobieren und feststellen können, dass auch sie Stärken besitzen, bevor sie eine Ausbildung oder eine Arbeit beginnen. Sie selbst, aber auch die Menschen, die sie begleiten, „werden einen langen Atem brauchen“, warnt Renzel vor der Erwartung auf schnelle Effekte.

Allenfalls ein Anfang ist gemacht: Seit der Betreuung Langzeitarbeitsloser in alleiniger Regie der Stadt wurden übers Jobcenter 2295 Ausbildungsstellen für Jugendliche im Hartz-IV-Bezug geschaffen.