Essen. Das Projekt „palliative Pflege“ des Essener Vereins „Menschenmögliches“ schult Altenpfleger im individuellen Umgang mit Sterbenden.

Die Schmerzen hatten Lydia Jügel ihre Lebenslust fast vollständig geraubt. Apathisch und depressiv verbrachte die einseitig beinamputierte 75-Jährige die Tage in ihrem Zimmer auf der Pflegestation des Martineums in Steele. Bis sie durch das Projekt palliative Pflege, das der Verein „Menschenmögliches“ vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat, endlich eine wirksame Schmerztherapie bekam. „Jetzt kann ich wieder am Leben teilnehmen“, sagt die zierliche Frau und steuert ihren Elektrorollstuhl raus in die Sonne.

Palliative Pflege, das bedeutet intensive und individuelle psychische und medizinische Betreuung von Menschen, die unheilbar krank sind oder im Sterben liegen. Der Umgang mit dem Tod ist eigentlich nichts Ungewöhnliches in einem Alten- und Pflegeheim, „doch wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Personal gerade für diese Situation noch Unterstützung braucht“, sagt Projektleiterin Maria Degner.

Hilfe auf dem letzten Weg

Die Fachkrankenschwester hat sich auf palliative Pflege spezialisiert und bildet die Pflegekräfte in vier ausgewählten Essener Heimen aus. „Ich begleite die Mitarbeiter bei Pflegevisiten, schule sie vor Ort in Sachen Schmerzlinderung, Trauerbegleitung, Trauerarbeit und basaler Stimulation. Diese Art der Kommunikation durch Berührung ist besonders notwendig bei Bewohnern, die sich nicht mehr äußern können. „Wir lernen auch, welche Anzeichen darauf hindeuten, dass ein Bewohner im Sterben liegt“, erzählt Isabel Nuno.

Für die Altenpflegerin im Martineum bedeutet die Fortbildung eine große Arbeitserleichterung. Einzigartig sei der Notfallplan, ein sogenannter Sterbeleitfaden, den man bereits im Vorfeld mit den Betroffenen, Angehörigen und dem Hausarzt besprechen könne. Bis ins Detail kann der Bewohner seine Wünsche äußern: Wer soll ihn beim Sterben begleiten, wünscht er eine spirituelle Begleitung, wen möchte er auf keinen Fall sehen. „Unsere Bewohner sollen in Würde sterben können.“ Aber auch die medizinische Versorgung wird festgelegt, wie die Schmerztherapie. „Im Notfall müssen wir nicht erst auf den Arztbesuch oder das Rezept warten, sondern können direkt handeln“, so Nuno. Vor Jahren sei es noch Usus gewesen, sterbende Heimbewohner ins Krankenhaus einzuweisen, „sicher auch aus Mangel an Wissen, wie man mit dieser Situation umgeht“. Das ist heute anders: Trotz großen Zeitaufwandes sei das Personal in der Lage, den Menschen auf seinem letzten Weg liebevoll und helfend zu begleiten.