Essen. . Aktuell sinkt zwar die Zahl der Roma in den Essener Übergangsheimen. Jedoch leben in diesem Frühjahr immer noch deutlich mehr Menschen aus Serbien und Mazedonien in den Einrichtungen als im vergangenen Jahr: Stadt und Caritas machen sich auf die Suche nach Lösungen, denn die Plätze sind teuer.

Es kamen so viele wie nie zuvor, doch es gehen derzeit merklich weniger, und deshalb bibbert die Stadt bereits im laufenden Frühjahr dem kommenden Asyl-Winter entgegen: Mit den aktuell steigenden Temperaturen sinkt zwar die Zahl der Roma in den Essener Übergangsheimen zusehends.

Jedoch leben in diesem Frühjahr immer noch deutlich mehr Menschen aus Serbien und Mazedonien in den Einrichtungen als im vergangenen Jahr: Von 716 Balkan-Ankömmlingen, das war der Höchststand im Dezember, sind 148 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. 568 jedoch bleiben seit Monaten in Essen, obwohl sie als ausreisepflichtig gelten und ihr Asylverfahren nach Einschätzung der Behörden nie eine Chance auf Anerkennung hatte. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr zählte die Kommune im April noch 487 Dagebliebene.

Druck erhöhen

Da für die Stadt jeder Unterbringungsplatz zählt und viel Geld kostet, will die Behörde nun „genauer analysieren, warum der Sockel Jahr für Jahr ein offenbar immer größerer wird“. Dem ein oder anderen schwant bereits: Die Entwicklung könnte durchaus eine Frage der Kontrolle der Ausreisepflicht sein.

Geplant ist deshalb, den Druck auf die Menschen in den Heimen zu erhöhen. Bei Ortsterminen sollen Zeichen gesetzt werden: „Wir wollen sehen, wer da eigentlich lebt und im kommenden Winter kein noch größeres Problem haben“, heißt es.

Reisebericht der Caritas

Um genau das zu verhindern, hat eine Delegation der Stadt Essen und der Caritas auf einer Reise zu den Roma von Skopje und Belgrad gemeinsam mit Vertretern der Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen jüngst nach Auswegen aus dem wiederkehrenden Teufelskreis der alljährlichen Armutswanderung gesucht.

„Was muss und kann in Mazedonien und Serbien geschehen, damit die Roma nicht Winter für Winter visumfrei ins Ruhrgebiet kommen, Asylanträge stellen und im Frühjahr nach ihrer Ablehnung mit der bis dahin angesparten Sozialhilfe zurückgehen?“, umreißt Sozialdezernent Peter Renzel die zentrale Frage des dienstlichen Ausflugs in einem Reisebericht der Caritas.

Kritik an finanziellen Verlockungen in Deutschland 

Dass es den Menschen, die nach Deutschland und nach Essen kommen, gerade nach der bundesverfassungsgerichtlich angeordneten Erhöhung der Asylbewerberleistungen in erster Linie ums Geld geht, bestätigen selbst Roma-Vertreter. Sie kritisieren sogar die „finanziellen Verlockungen in Deutschland“, die zu einer Winterwanderung der Familien führe mit allen Folgen für deren Kinder: Wer ein halbes Jahr nicht in seinem Heimatland zur Schule gehe, machte ein Lehrer gegenüber Renzel in Skopje deutlich, habe keine Chance, den versäumten Lehrstoff nachzuholen.

"Unser Asylverfahren muss sich dringend verändern"

Deshalb sei das, was Jahr für Jahr passiere, kontraproduktiv zu den Bemühungen, das Bildungssystem der Balkanländer für die Romakinder zu öffnen, um ihnen Abschlüsse zu ermöglichen, mit denen sie einen Job finden können. „Der Fokus muss sich verstärkt auf Bildungsinitiativen vor Ort richten“, ist Renzel überzeugt, der die Erkenntnisse seiner Reise dem Deutschen Städtetag vorlegen will, um auf diesem Wege unter anderem das Ziel einer einheitlichen Flüchtlingspolitik zu erreichen.

„Unser Asylverfahren muss sich dringend verändern.“ Auch in diesem Punkt sieht sich der Sozialdezernent auf Linie mit Roma-Abgeordneten. Während es in Belgien im Schnitt eine Woche dauere, bis über die Asylanträge entschieden sei, ziehe sich das Verfahren in Essen etwa vier Mal so lange hin.

In die Integration investieren

Christoph Grätz hat seine Antwort bereits gefunden. Für den Leiter der Auslandshilfe der Caritas im Ruhrbistum sind Hilfen in den Herkunftsländern der Schlüssel zum Erfolg: „Um den Kreislauf der Benachteiligung, Armut und Armutswanderung zu durchbrechen, gibt es nichts Besseres, als mit vereinten Kräften – auch mit finanziellen Mitteln aus Deutschland – in die Integration im Heimatland zu investieren.“

Damit hat die Caritas Erfahrung seit einem Reintegrationsprojekt, mit dessen Mitteln in den 90er Jahren in Skopje Häuser für Roma gebaut wurden. Der Caritas- Partner der Bistums-Helfer vor Ort hieß „Nadez“. Hoffnung.