Essen. Die Stadt verstößt bei der Unterbringung von Asylbewerbern in drei Heimen gegen beschlossene Mindeststandards. Teilweise müssen die Flüchtlinge mit nur fünf Quadratmetern pro Person auskommen. Die Politik übt sich in Nachsicht. Schließlich sei in den vergangenen Monaten gute Arbeit geleistet worden.

Noch vor wenigen Monaten hätte diese Nachricht politische Kritiker und Flüchtlingsorganisationen auf die höchsten Barrikaden gehen lassen: In drei von elf Standorten verstößt die Stadt bei der Unterbringung von zurzeit 718 Flüchtlingen gegen vorgeschriebene Mindeststandards und ignoriert so einen Ratsbeschluss, der seit dem 24. November 2010 einzuhalten ist. Jedem Asylbewerber sollten mindestens acht Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen.

In den Heimen an der Wengestraße in Schonnebeck aber leben 50 Menschen auf 350 Quadratmetern, in dem Werdener Haus Im Löwental teilen sich 58 Flüchtlinge einen vergleichbaren Platz, während die 43 Bewohner der Gerhardstraße in Schonnebeck gerade einmal auf fünf Quadratmeter pro Nase kommen. Dies geht aus der städtischen Belegungsstatistik mit Stand vom 31. Dezember hervor.

Etwas Entspannung in Sicht

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat bei der Stadt nach den Gründen gefragt, freundlich und verhalten, während sich die Politik mit einem ordentlichen Rüffel diesmal schwer zu tun scheint. Man scheint der Sozialverwaltung diesen Verstoß nachsehen zu wollen, ist sogar vielmehr der Überzeugung, dass unter dem massiven Druck der Asylwelle in den vergangenen Monaten gute Arbeit geleistet wurde. Denn es ist gelungen, die Flüchtlingsströme zwischen ausufernden Kosten und möglichst weitgehender Sozialverträglichkeit im Stadtgebiet zu kanalisieren.

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Vielleicht bleibt der Protest aber auch aus, weil neben der Einsicht, dass es nicht immer schlecht sein muss, eine vierköpfige Familie auf 25 Quadratmeter unterzubringen statt Kinder von Eltern zu trennen, etwas Entspannung in Sicht ist: Noch bevor sich mit dem beginnenden Frühjahr viele Roma-Familien wieder zurück in ihre Heimatländer aufmachen oder aufmachen müssen, könnte sich die Unterbringungssituation in der nächsten Woche deutlich verbessern. Dann, heißt es in der Sozialverwaltung, ziehen die ersten Flüchtlinge in das frisch renovierte Haus am Standort Auf’m Bögel in Haarzopf ein.

Aufnahmequote erfüllt

Die Unterkunft sollte bereits Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Die Fertigstellung verzögerte sich jedoch, da die Stadtwerke noch neue Hausanschlüsse für die Gas- und Wasserversorgung legen mussten. Bis zu 50 Menschen können dort leben. Das schafft Platz in den übrigen Heimen, der schon bald wieder benötigt werden könnte. Nach Informationen der Stadt ist mit verstärkten Flüchtlingsströmen aus Syrien zu rechnen.

Noch hat Essen seine Aufnahmequote erfüllt. Doch das könnte sich schnell ändern, wenn die nicht anerkannten Asylbewerber vor allem vom Balkan ab März in großer Zahl in ihre Heimat abgeschoben werden. Davon war bislang wenig zu merken: Es gab zum Jahreswechsel zwar keinen offiziellen Wintererlass des Innenministeriums, aber einen Quasi-Abschiebestopp. In den kalten Monaten ging kein Flugzeug in die Luft, um die Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, möglichst schnell auszufliegen, heißt es in der Verwaltung: Warum also die Stadt anzählen, wenn vom Land keine Entlastung zu erwarten war.