Essen. Bei ihrer jährlichen Wanderung lauert die größte Gefahr für Kröten meist auf der Landstraße. Doch in Essen geht die Bedrohung derzeit von einer Baustelle aus. Seit Jahren laichten die Kröten in einem Teich neben einer Villa. Doch der Prachtbau wurde abgerissen - die Kröten haben ihre Heimat verloren.

Cora Ruhrmann kennt sich aus. Mit ihren Gewohnheiten und mit ihrem Seelenleben. Jedes Jahr aufs Neue, wenn es Frühling wird, sammelt die Naturschützerin im Schellenberger Wald Hunderte Kröten ein, um ihnen auf dem Weg zu ihren Laichplätzen über die Heisinger Straße zu helfen. Dort hält die Tierchen ein 30 Zentimeter hoher Zaun auf, den die ehrenamtlichen Helfer vom Naturschutzbund (Nabu) entlang der Straße aufbauen.

Weil der Frühling in diesem Jahr lange Zeit ein gefühlter Winter war, sind die Kröten spät dran. Doch nicht das treibt Cora Ruhrmann um. Es sind die vielen, vielen orientierungslosen Exemplare auf einer Baustelle an der Elsaßstraße, denen auch die Naturschützerin auf lange Sicht nicht wird helfen können.

Zwischen Bauschutt und Baumaschinen

Ein Bauarbeiter habe sie darauf aufmerksam gemacht, berichtet Cora Ruhrmann. Denn wo Hunderte Kröten zwischen Bauschutt und Baumaschinen herumirren, stand jahrzehntelang eine prachtvolle Villa. Im vergangenen Jahr machte die Residenz schicken Eigentumswohnungen Platz. „Die Kröten wandern sogar bis in die Tiefgarage“, berichtet Cora Ruhrmann. Oder sie sitzen in dünnen Pfützen, die sich in Reifenspuren sammeln.

Warum? Zu dem hochherrschaftlichen Anwesen gehörte auch ein Teich, den die Kröten Jahr für Jahr als Laichplatz ansteuerten. Der Teich wurde inzwischen zugeschüttet. Mit Zustimmung der Unteren Landschaftsbehörde weiß Cora Ruhrmann. Nein, nein von rechtlicher Seite betrachtet sei das alles in Ordnung. Nur an die armen Kröten, an die hat so recht niemand gedacht. 300 Tiere hat Cora Ruhrmann an einem einzigen Abend eingesammelt und an einem stillen Gewässer jenseits der Heisinger Straße ausgesetzt. In der Hoffnung, dass die Kröten dort für Nachwuchs sorgen.

Suche bis zur völligen Erschöpfung

Und warum suchen sich die Tierchen nicht auf eigene Faust einen anderen Laichplatz? „Kröten sind ortstreu“, erläutert Cora Ruhrmann. Wo sie selbst einst geboren wurden, dorthin wandern sie wieder zurück. Die Exemplare von der Elsaßstraße würden auf der vergeblichen Suche nach ihrem verlorenen Teich bis zur völligen Erschöpfung weiter suchen - und eingehen.

Bis Ende dieser Woche sind die Kröten wohl noch auf Wanderschaft, schätzt die Nabu-Aktivistin. Sie hoffe, dass die heimatlosen Kröten „andere Koordinaten akzeptieren“ und zum Laichen ein anderes feuchtes Plätzchen annehmen. Sicher sein kann sie sich da nicht.