Essen. Mit 120 Sängern gehört der Steeler Kinderchor zu den größten in Deutschland. Vor 65 Jahren wurde das Ensemble gegründet – und hat ganze Familien geprägt.

Glockenhell erklingen die Stimmen der 55 jungen Sängerinnen und Sänger, die sich gerade einsingen. Hoch konzentriert und präzise folgen sie den Anweisungen von Birgit Stecker-Dick, die heute die Probe des Steeler Kinderchores leitet. Schon beim ersten Volkslied, „Jeden Morgen geht die Sonne auf“, merkt der Zuhörer die Professionalität des A-Chores: die Intonation ist sauber, die Harmonien stimmen. Dafür ist der Chor, der zu den deutschlandweit größten Kinderchören zählt, bekannt. Schließlich kann das mehrfach preisgekrönte Ensemble aus Steele auf 65 erfolgreiche Jahre zurückblicken, mit unzähligen Konzerten, Plattenaufnahmen, und Auslandsreisen.

Für die Mitglieder des Chores ist Singen, trotz Casting-Shows und „Singstar“ mehr als eine populäre Erscheinung, sind die wöchentlichen Proben ein Treffen mit Freunden, die das gleiche Hobby haben. „Wir sind einfach eine tolle Gemeinschaft“, sagt der 13-jährige Tobias und erzählt begeistert von den Freizeiten und Reisen. Manche seiner Klassenkameraden finden Singen „uncool“, aber „die haben keine Ahnung“. Ob er dabei bleibt, und später in den Jugendchor wechselt? „Klar“, sagt Tobias ohne zu zögern.

„Singen gehört für mich zum Leben“

Es ist diese Beständigkeit, die den Chor auszeichnet: Ganze Sängerdynastien sind aus ihm hervorgegangen. „Meine Mutter hat hier gesungen, meine Tanten, meine Geschwister und meine Töchter“, zählt Dorothee Keller auf. Die 51-Jährige ist heute im Vorstand des Chores, singt im Ehemaligenchor und betreut die Kinder. „Wir sind wie eine Familie. Wenn man einmal vom Chorvirus infiziert wurde, bleibt man ein Leben lang dabei.“

Fast sein Leben lang Mitglied ist auch Alexander Cadenbach: Der 23-Jährige hat mit sechs im Kinderchor angefangen und ist, nach dem unvermeidlichen Stimmbruch, mittlerweile im Jugendchor gelandet „Singen macht Spaß, gute Laune und gehört für mich einfach zum Leben“, erklärt er. Dabei gab es auch Zeiten, wo er schwer war zu sagen: Ich gehe zur Chorprobe und singe Volkslieder. „So im 5. und 6. Schuljahr gingen fast alle Jungs aus meiner Klasse zum Fußball. Da wurde ich als Sänger oft belächelt.“ Trotzdem ist er seinem Chor treu geblieben.

Seit 1958 begleitet er Kinderchor

„Es ist schön zu sehen, wie Kinder groß werden, wie manchmal sogar Ehen entstehen und daraus wieder Kinder“, sagt Wolfgang Gröser, 2. Vorsitzender des Chores. Er muss es wissen: Seit 1958 begleitet er den Steeler Kinderchor. Erst als Sänger, später dann im Vorstand hat er noch den ersten Leiter des Ensembles miterlebt: den Musiker und Komponisten Erhard Raubuch, Kantor der Steeler Pfarrgemeinde St. Laurentius, der 1948 die Jugendsingschule gründete. Zu seinen Ehren hat der Chor noch heute von ihm komponierte Stücke in seinem Repertoire, das ansonsten sehr international ist. Volkslieder aus aller Herren Länder, sogar japanische sind darunter. Aber auch der ein oder andere Popsong hat sich eingeschmuggelt. „Das ist aber die Ausnahme im Kinderchor und eher dem Jugendchor vorbehalten“, sagt Gröser.

Trotz seines Renommees muss auch der Steeler Kinderchor inzwischen um Nachwuchs kämpfen. Zweimal im Jahr wird ein Vorsingen abgehalten, mit dem Ziel, pro Jahr zehn junge Sänger und Sängerinnen aufzunehmen. Sieben waren es im vergangenen Jahr.